Universitäts­professor Peter Pieler

Der Standard

Die Sternspritzer haben ihr letztes Fünklein gespien, noch tönt es vom "holden Knaben im lockigen Haar", doch die Augen schielen längst auf die Burgen aus Geschenkpaketen unterm Christbaum. Im Ernst, wer denkt jetzt an den §938, der da besagt: "Die Schenkung ist ein Vertrag, durch den jemand verpflichtet wird, einem anderen eine Sache unentgeltlich zu überlassen." Wär ja noch schöner.

Und doch, so ganz gesetzlos scheint die Angelegenheit nicht zu sein, denn sogar Sprüche wie "Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul" oder "Umsonst ist der Tod" stammen ursprünglich aus der Juristerei. Auch der Schriftsteller und Dadaist Walter Serner hätte sich im Rahmen seiner Dissertation im Jahre 1913 wohl kaum dem Thema "Die Haftung des Schenkers wegen Mängel im Rechte und wegen Mängel an der verschenkten Sache", gewidmet, wenn da nichts zu holen gewesen wäre.

Schenken, rechtlich betrachtet, kommt einem Vertrag gleich

Peter Pieler, Professor am Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte in Wien, kümmert sich am Heiligen Abend nicht um das Gesetz. "Man muss da zwischen Arbeit und Freizeit schon trennen können." Gut, aber warum beschäftigt sich das Recht überhaupt mit etwas, das nach Laienansicht so gar nicht nach Gesetzen und Paragrafen, sondern nach bunten Packerln und leuchtenden Kinderaugen aussieht? Weil, so christkindlfeindlich das jetzt klingen mag,

Schenken, rechtlich betrachtet, einem Vertrag gleichkommt; die Schenkung wird nämlich als Prototyp des unentgeltlichen Geschäftes betrachtet, auch wenn der Grund für die Schenkung nicht der Austausch von Leistungen ist, sondern auf der Freigebigkeit des Schenkenden beruht. Puh! Und das auch am Heiligen Abend. Und - ebenfalls nicht von schlechten Eltern - für diesen Vertrag, der im Prinzip beim Aufreißen des Packerls gilt, ist die Zustimmung des Beschenkten Voraussetzung. Zur allgemeinen Erleichterung sei erwähnt, dass diese aber ohne besonderen Ritus erfolgen kann. Vom einfachen Dankesehr über ein in den Augen lesbares wohlwollendes Aha bis zum euphorischen Um-den-Hals-Fallen reicht die Bandbreite der Gesten, die verhindern sollen, dass jemand gegen seinen Willen Zuwendungen erhält. Wär ja noch schöner.

Geschenkt ist erst dann, wenn es nach §943 zu einer "wirklichen Übergabe" des Geschenks kommt

Das heißt, es muss ein "sinnfälliger, nach außen hin erkennbarer Akt" sein, "aus dem der ernstliche Wille des Schenkers hervorgeht, die Sache zu überlassen". Zeugen wären also, sehr streng juristisch betrachtet, nicht schlecht, und welches Ereignis eignet sich diesbezüglich besser als das Fest der Liebe, wo es in den meisten Wohnzimmern vor lauter Zeugen nur so wimmelt, die allerdings wahrscheinlich gerade selbst mit dem sinnfälligen Akt des Schenkens beschäftigt sein dürften.

Zores unterm Christbaum ...

sind in der Regel freilich anderen Ursprungs, aber was wäre denn so eine Eventualität, weswegen ein Präsent zum juristischen Zankapfel werden könnte? Peter Pieler deutet auf Fälle von so genanntem Undank hin, die in Gewalthandlungen des Beschenkten gegen den Schenker bestehen könnten und die erwähnten Vertrag null und nichtig machen könnten. Das heißt: Haut die Ehefrau oder die Geliebte ihren Herzbuben, könnte dieser das Diamantencollier oder was auch immer zurückfordern. Dass Undank auch eines Ehepartners Lohn sein kann, wusste natürlich auch der eingangs erwähnte Walter Serner, als er lange nach seiner Dissertation in "Letzte Lockerung - Ein Handbrevier für Hochstapler und solche, die es werden wollen", schrieb: ". . . ein Geschlechterverhältnis beginne, wie es mag, nach einiger Zeit dominiert die Geldfrage."

"Wenn überhaupt", erläutert Peter Pieler, der Jurist und Leiter des Studienprogramms Rechtswissenschaften, "gibt es eher Probleme, wenn durch Schenkungen ein Vermögen vermindert wird, worauf Erbberechtigte Ansprüche zu haben glauben oder es zu Streitereien unter den Kindern kommt, weil sich diese ungleich beschenkt fühlen." Wegen eines Kaschmirpullovers oder einer Küchenmaschine wird man sich also eher nicht vor dem Kadi einfinden.

Und die "schöne Bescherung"?

Zu einer besonders "schönen Bescherung" kann's bei den diversen Schenkanlässen kommen, wenn der Schenkungsgegenstand nicht beim Abschluss des Vertrags übergeben wird. In diesem Fall bedarf es eines Notariatsakts (§1 Abs 1 lit d NZwG) zur Gültigkeit des Schenkungsvertrags. Diese Formvorschrift, so definiert es der Jurist, bezweckt die Verhütung unüberlegter Schenkungsversprechungen. Doch wer lädt schon den Notar zur Weihnachtsgans, abgesehen davon, dass dieser zu diesem Termin selbst mit dem Zerschnippeln selbiger beschäftigt sein dürfte.

Heitere Geschichten gibt's also keine zu erzählen, aber dafür sind Juristen in der Regel auch nicht da. Aber, Herr Pieler, schenken Sie eigentlich gern? "Sehr, es macht mir große Freude, die Familie zu beschenken", meint der Jurist, der auch schon das Weihnachtsgeschenk für seine Gattin besorgt hat, das hier freilich nicht ausgeplaudert werden darf.

Schenken ist eher eine Kunst als eine Sache des Recht

Und ganz allgemein, wie steht der mit allen Rechtswassern gewaschene Jurist zum Thema Schenken? "Nun, man könnte sagen, was man wirklich braucht, hat man schon, das andere will man auch nicht geschenkt bekommen". Eine Ausnahme fällt dem Herrn Professor dennoch ein: "Ich hege eine Sympathie für Gänse, und Kollegen haben mir vor Jahren einmal eine ausgestopfte Gans geschenkt. Sie steht in meinem Landhaus und freut mich noch heute". Man sieht, Schenken ist, und dem stimmt auch Peter Pieler nickend zu, nach wie vor eher eine Kunst als eine Sache des Rechts. Dabei strenge man sich an, denn der §901 sagt, "Schenkungen können wegen Motivirrtums angefochten werden." (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/24/11/2005)