Wien - Außenministerin Ursula Plassnik (V) wünscht sich von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 "mehr Vertrauen, mehr Klarheit über eine Reihe von wesentlichen Dingen und mehr Schwung". "Wir dürfen angesichts der Schwierigkeiten nicht in eine resignative Stimmung verfallen", sagte Plassnik am Mittwochabend bei einem Vortrag in Wien. Vielmehr sei in der EU eine "Anti-Verzagtheits-Strategie" nötig.

Der österreichische Ratsvorsitz werde seinen Blick "auf das Machbare gerichtet halten" und "Mut zum Realismus" zeigen, sagte sie mit Blick auf die "Lattenleger, die derzeit unterwegs sind". Inhaltlich hielt sich die Chefdiplomatin bedeckt. Sowohl zum Finanzstreit als auch zur Verfassungskrise blieb sie konkrete Lösungsvorschläge schuldig.

Eindringlicher Appell

Im Streit um das EU-Budget 2007-2013 richtete Plassnik einen eindringlichen Appell an die britische Ratspräsidentschaft, die Einigung noch im Dezember unter Dach und Fach zu bringen. "Wir tun alles, um die Präsidentschaft zu ermutigen, zu einer Vereinbarung zu kommen, denn die Zeit drängt", sagte sie. "Wir haben eine besondere Verantwortung für die neuen Mitgliedsstaaten", die rechtzeitig mit den Planungen für die Auszahlung der EU-Fördermittel ab Jänner 2007 beginnen können sollen. Daher sei sie "zuversichtlich", dass die Briten die Einigung unter den 25 EU-Staaten erreichen. Selbst dann sei der Weg für Österreich noch "schwierig genug", da nach der Grundsatzeinigung die Verhandlungen mit dem Europaparlament und die Verabschiedung der konkreten Rechtsakte für die Finanzvorschau anstünden.

Hinsichtlich der EU-Verfassung dämpfte Plassnik Hoffnungen auf eine rasche Lösung. "Wir sollten uns die Reflexionsphase nicht ersparen", sagte sie. Es gehe nämlich darum, das Vertrauen der Bürger in die EU wieder zu stärken. "Wir müssen aufschließen zu den Bürgern, und das meine ich ernst!" Man müsse die Bürger besser informieren, aber auch in konkreten Entscheidungen vermitteln, dass man ihre Botschaften verstanden hat. "Das So-weiter-Tun, als könne man nichts ändern, als wäre alles schon entschieden, als wären die Geleise für immer und ewig in eine ganz bestimmte Richtung gelegt, wird uns nicht weiter bringen."

Offen zeigte sich Plassnik zur Idee, wenigstens Teile der EU-Verfassung in Kraft zu setzen. Es stelle sich aber die Frage, "ob diese mikrochirurgische Vorgangsweise am Text uns weiter bringt". Schließlich hätten zahlreiche EU-Staaten die Verfassung bereits - als Ganzes - ratifiziert. Zugleich bekräftigte sie den österreichischen Vorschlag einer gesamteuropäischen Abstimmung über die EU-Verfassung. Es sei "erstaunlich, dass es immer mehr Überlegungen in diese Richtung gibt".

Ein zentrales Anliegen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes werde neben einer auf Wachstum und Beschäftigung orientieren Wirtschaftspolitik auch das "europäische Lebensmodell" sein. Die Europäer hätten eine bestimmte Vorstellung von Lebensqualität, für die Frieden, (soziale) Sicherheit, Vielfalt und eine lebenswerte Umwelt einschließlich der Landwirtschaft eine besondere Rolle spiele. Zwar gebe es Streit über die Prioritätensetzung, sagte Plassnik in Anspielung auf den Konflikt über den Umfang des Agrarbudgets, doch "der Kern ist der selbe". Im außenpolitischen Bereich strich sie die "Arbeit am Balkan", insbesondere die Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo hervor, die den Ratsvorsitz "intensiv beschäftigen" werden.

Österreich müsse während seines Ratsvorsitzes "Selbstgefälligkeit vermeiden", betonte Plassnik. Man müsse sich auch von der ersten österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 1998 loslösen. Diese habe nicht nur "in einem anderen Jahrhundert stattgefunden", sondern auch in einem viel früheren Entwicklungsstadium der Union. Damals habe es gerade halb so viele Sitzungen gegeben wie heute, es habe noch keinen EU-Außenpolitikbeauftragten, keinen Euro, keine Erweiterung und auch den Beginn der Kooperation in den Bereichen Justiz und Inneres gegeben. (APA)