Der Bankkredit wird das Finanzierungsinstrument des Mittelstandes bleiben, ist sich die Expertenrunde einig. Kapitalmarkt-Instrumente gewinnen allerdings an Bedeutung und bringen fundamentale Veränderungen mit sich.


Alternative Finanzierungsformen sind gegenwärtig ein starkes Thema in der Mittelstandsfinanzierung für kleine und mittlere Unternehmen, deren Hauptfinanzierungsquelle mit rund 63 Prozent der Bankkredit ist. "Wir erleben bei Kapitalmarktprodukten eine Skalierung nach unten, sodass sie auch für kleinere Unternehmen zugänglich werden", so Gerhard Ehringer, Leiter der Unternehmensfinanzierungen in der Investkredit Bank AG. Er zitiert etwa Anleihen und Asset Securitization, die sein Haus auch für mittlere Unternehmen anbieten kann.

Auch wenn der Kapitalmarkt solcherart in die heimische Mittelstandsstruktur einzieht: Der Bankkredit, so die Runde einhellig, kommt nicht "aus der Mode". Allerdings beklagen die Vorstände der Großbanken, Manfred Kunert (Österreichische Volksbanken AG, ÖVAG) und Karl Sevelda (Raiffeisen Zentralbank, RZB), Konditionenwettkampf und ruinösen Wettbewerb. Kunert: "Vor allem die Fremdwährungsmanie ist ungebrochen." Kunert zum Kapitalmarkt: "Der Trend ist da, die Aufklärung ist aber noch nicht ausreichend." Ehringer: "Es besteht aber bereits eine Grundsensibilisierung für Neues. Es wird künftig ein Nebeneinander geben."

Sevelda: "Es wird über alternative Finanzierungsmöglichkeiten schon gern diskutiert, wenn es dann aber um Mitsprache- und Kontrollrechte bei den einzelnen Instrumenten geht, dann heißt es oft: Stopp!" Ulrich Kallausch, Mitglied der Geschäftsleitung im Bankhaus Sal. Oppenheim, das von Jenbacher bis zum Schrack-Management-Buyout zuletzt eine Reihe großer Deals begleitet hat, formuliert den nächsten Punkt der Einigkeit in der Runde: "Beim Einsatz alternativer Instrumente geht es um den ,strategic fit'."

Eine gewisse Größe sei für den Kapitalmarkt erforderlich, allerdings sei die Angebotspalette an alternativen Finanzierungsinstrumenten vom Mezzaninkapital bis zum Private Equity mittlerweile auch groß. Kernthemen dabei immer, so Kallausch zustimmend: "Publizität, Kontroll- und Mitspracherechte."

Mit der Komplexität der Produktwelt, so Andreas Mayr, Kapitalmarktexperte in der Kanzlei Dorda, Brugger, Jordis, steige auch der Beratungsbedarf: "Das setzt auch eine innere Bereitschaft der Unternehmen voraus, sich zu öffnen. Da muss man hinführen." "Je mehr sich ein Unternehmen dem Kapitalmarkt annähert, desto teurer wird es auch, was die Human Resources betrifft", schließt Gerald Mayer, Executive Partner bei Ward Howell und Leiter der Financial Services Practise beim Executive-Search-Unternehmen, an.

Er nimmt aus seiner Praxis diesbezüglich dann oft ein "Spannungsverhältnis der Human-Resources-Systeme sowohl in Unternehmen als auch bei den Finanzdienstleistern selbst wahr: "Mitarbeiter werden von Beteiligten zu Betroffenen, vom gehaltsempfangenden Kostenfaktor zum Miteigentümer mit teilvariablen Kosten, also Dividenden und Bonus." Kallausch stimmt zu: "Innovative Finanzierungsinstrumente bringen im Unternehmen ganz fundamentale Veränderungen mit sich." Mayer berichtet von Finanzern, die nach dem Platzen der New-Economy-Blase in die Corporate-Welt des Mittelstandes gewechselt sind und dort Finanzierungsstrukturen umgestellt haben: "Das ist auch eine Generationenfrage."

Sevelda stellt auch den breit gefassten Begriff "Mittelstand" zur Diskussion: "Bei einer Firma mit 30 Millionen Umsatz hat natürlich der Eigentümer die Hand auf dem Geld. Dort sitzen ja keine Chief Financial Officers." So begründet er auch das Relationship Management als die höchste Tugend eines Universalbankers. "Know your customer."

Es gibt auch Unternehmen, die innovative Instrumente einfach nicht brauchen: Peter Nadig, Geschäftsführer des Kunststoffteile-Erzeugers Rehau (mit etwa 100 Mio. Euro Umsatz in Österreich), eines deutschen Familienunternehmens, das in der zweiten Generation geführt wird, will etwa nur aus eigener Kraft wachsen. Jede neu gegründete Gesellschaft werde mit 40 bis 60 Prozent Eigenkapital ausgestattet. Man wolle unabhängig bleiben, sagt Nadig, "sowohl von Banken als auch von anderen Unternehmen". Akquisitionen stünden nicht auf dem strategischen Plan, im Bedarfsfall gebe es Intercompany-Darlehen.

Ob angesichts möglicherweise rückläufiger Strukturerträge in den heimischen Banken die Bankkredite knapp werden? Aktuell nicht, so die versammelten Banker. Und Basel II mit seinen Risiko- und Eigenkapitalvorschriften? Kunert: "Es wird bei Krediten eben jetzt Klartext geredet - obwohl: Für manche Kunden ist es ein Schock, wenn sie ihr bankinternes Rating sehen und erklärt bekommen." "Da hat der Mittelstand auch Beratungsbedarf, er muss sich auch der Bank gegenüber verkaufen können", so Sabine Duchaczek, die in ihrer Wiener Prime Consulting sowohl Corporate-Finance-Beratung als auch deren kommunikative Begleitung anbietet.

Mayr, der zuletzt etwa den Börsengang der von der BWT abgespalteten Christ in Wien begleitet hat: "Soft Facts spielen noch immer eine große Rolle bei der Kreditvergabe zwischen Kundenbetreuer und Unternehmen. Bei kapitalmarktorientierten Instrumenten weht ein anderer Wind. Da wird anders hinterfragt." Allerdings sieht er einen zunehmend höheren Professionalisierungsgrad im Mittelstand. "Lösungen sind gefragter, nicht bloß Produkte", nickt Ehringer.

Es gehe bei alternativen Produkten letztlich ja auch um die Kosten: Wenn es um den Preis gehe, dann sei der Kredit in Österreich wohl ungeschlagen; stehen strategische Ziele im Vordergrund, dann gehe es um Lösungen, um strukturierte Finanzierung.

Kallausch bemängelt das Fehlen von Schnittstellen: Vor allem in den Bundesländern braucht die Beratung für alternative Produkte vor Ort eine Boutique, zu der auch Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte gehören. Diesbezüglich erneut Einigkeit: "Marktentwicklungsbedarf und Informationsbedarf" bestehe. Aber auch den beratenden Partnern wird "ein Schub der Professionalisierung" attestiert. (kbau, DER STANDARD, Printausgabe vom 26./27.11.2005)