Foto: Sabine Derflinger
Wien - "Man muss halt mit dem Geld leben, obwohl ich das Geld nicht mag. Das ist halt Kapitalismus", meint einer der Jugendlichen. Geld sei nun einmal zum Ausgeben da, und bei der Vorstellung, dass am Abend sogar noch etwas davon übrig bleibe, sei ihm sogar unwohl. Sein Traum ist ein Bauerhaus in Ostfriesland, wo er mit seiner Freundin Kartoffeln anbauen könne, während eine Windkraftanlage für die Eigenstromversorgung sorge. Noch aber verbringt das Paar seine Tage damit, rund um den Wiener Westbahnhof sein tägliches Geld durch Schnorren zu verdienen.

Sabine Derflingers Dokumentarfilm "Schnelles Geld", nach zwei Spielfilmen wieder die erste dokumentarische Arbeit seit fünf Jahren, wird in erster Linie von derartigen Wünschen und Vorstellungen getragen. In unregelmäßigen Abständen hat die Filmemacherin, verteilt über alle vier Jahreszeiten, die - vorwiegend - jungen Menschen mit der Kamera begleitet und dabei kontinuierlich den Schauplatz Straße um Nebenräume und Lebensgeschichten erweitert: Zunehmend rücken die Unterkünfte oder auch nur Schlafplätze der Jugendlichen, ihre Herkunft und ihre Ziele ins Zentrum des Interesses.

Präzise Fragen

Derflinger bevorzugt den schnellen Zugang, das direkte Wort und hakt in den kurzen Gesprächen mit präzisen Fragen aus dem Off nach: Wie viele Leute wohnen hier? Was bringt die Gelegenheitsprostitution für die jungen Frauen ein? Was machst du später? Die Kamera, meist in Augenhöhe oder darunter, erzeugt das Gefühl unmittelbarer Nähe, ohne sich jedoch in Details zu verlieren.

Derflinger sucht nicht nach Ursachen und beantwortet keine Fragen, sondern formuliert einen Zustand. Dass sie dies schafft, ohne um die halbe Welt zu reisen, sondern diese für sie vor der Haustüre beginnt, macht "Schnelles Geld" zu einer Momentaufnahme, die - entgegen der weitläufigen Tendenz im aktuellen Dokumentarfilmschaffen - gar nicht versucht, sozialpolitische oder gar globale Zusammenhänge zu erkunden. Insofern ist "Schnelles Geld" auch Gegenteil einer Langzeitbeobachtung - ein kleiner schneller Film, der es wert wäre, in zehn Jahren vielleicht noch einmal gedreht zu werden. (Michael Pekler, DER STANDARD, Print, 28.11.2005)