Im Fall des am 15. September in der Polytechnischen Schule in Wien-Währing getöteten Schülers liegt nun die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vor. Auf sieben Seiten wird darin dem mittlerweile 16 Jahre alten Täter das Verbrechen des Mordes angelastet. Nach Ansicht der Anklagebehörde hat er demnach einen 14 Jahre alten Mitschüler durch zwei Stiche mit einem Fixiermesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimeter und einer Klingenbreite von 2,8 Zentimeter vorsätzlich getötet.

Der Angeklagte war im Alter von zweieinhalb Jahren mit seiner Familie von Serbien nach Wien gezogen. Er besuchte hier die Volks- und Hauptschule, am 7. September begann der Unterricht im Polytechnikum.

Keine Vorstrafen

Der Bursche weist zwar keine Vorstrafen auf, ist allerdings schon zwei Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten: Zunächst warf er im Vorjahr einen Stein gegen ein Auto, im Dezember fügte er einer Mitschülerin mit einer Plastikflasche eine Platzwunde am Kopf zu. Beide Anzeigen wurden zurückgelegt, da es die Behörden für ausreichend erachteten, ihm eine im Jugendgerichtsgesetz (JGG) vorgesehene Rechtsbelehrung zu erteilen. Das letzte Gespräch mit dem zuständigen Pflegschaftsrichter fand am 13. September statt - zwei Tage vor dem tödlichen Geschehen in der Schule.

An diesem Tag erwarb der Jugendliche auf dem Schulweg auch das Fixiermesser. "Die Waffe faszinierte ihn, er fühlte sich stark und anderen überlegen", so Staatsanwältin Barbara Mayer in ihrer Anklage. In den folgenden zwei Tagen soll der 16-Jährige damit die Klasse provoziert haben. So streckte er das Messer etwa Mitschülern entgegen, holte es aus der Tasche und legte es auf den Tisch, spitzte damit seinen Bleistift. In der Straßenbahn drückte er es einer vor ihm sitzenden Mitschülerin in den Rücken, bis diese die Klinge spürte.

Streit zwischen Mitschülern

Vor einer Gruppe von Mädchen tänzelte er der Anklageschrift zufolge mit dem Messer herum und fragte, ob sie ein Taschentuch für ihn hätten. Als sie dies verneinten, meinte er, sie sollten ihm eines geben, ansonsten werde er sie alle umbringen. Dann begann er zu lachen und ging weiter.

Nur wenig später kam es in der Großen Pause in der Klasse "K1" im dritten Stock zu einem Streit zwischen zwei Mitschülern des Burschen, den eine Lehrerin beendete. Ein 14 Jahre alter Schüler hänselte die beiden Kontrahenten, worauf sich der an sich völlig unbeteiligte 16-Jährige zu Wort meldete und jenen "Hurenkind" nannte. Der Jüngere entgegnete, er sei kein "Hurenkind". Darauf hin erhob sich der 16-Jährige, zog mit der rechten Hand das Messer aus der Hosentasche und versetzte dem Jüngeren zunächst einen Stoß mit der linken.

Notoperation

Als dieser ihn mit beiden Armen von sich stieß, "ging er auf ihn zu, packte ihn am Hals und stach mit dem Messer zwei Mal im Rumpfbereich kraftvoll auf ihn ein. Die Stiche trafen das Herz, die Körperhauptschlagader und die Hohlvene", heißt es in der Anklageschrift.

Der 14 Jahre alte Bub starb trotz sofortiger Erste Hilfe-Leistung durch einen Lehrer und einer mehrstündigen Notoperation im Wilhelminenspital. Die Staatsanwältin ist überzeugt, dass die vom Täter behauptete Notwehrsituation nicht gegeben war. Dieser sei vielmehr entschlossen gewesen, von seiner Waffe Gebrauch zu machen: "In den letzten Tagen hatte er mit der Waffe angegeben, gedroht und mit dem Gedanken gespielt, tatsächlich zuzustechen. Jetzt war es so weit. Jetzt wollte er sich nicht mehr bloß auf ein Gerangel oder eine Rauferei einlassen, die er auch verlieren könnte."

Verteidier bestreitet Todesabsicht

Der Bursche habe das Messer die ganze Zeit über bewusst bei sich getragen und im Zeitpunkt des Zustechens des Tod seines jüngeres Klassenkameraden zumindest für ernstlich möglich gehalten und sich damit abgefunden, so der Tenor der Anklage.

Verteidiger Peter Philipp bestreitet die Tötungsabsicht. Sein Mandant könne sich nur an einen Stich erinnern, beteuert der Anwalt. Er dürfte sich demnach in der Hauptverhandlung, für die es noch keinen Termin gibt, in Richtung Notwehr bzw. Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. Sollte es zu einem Schuldspruch im Sinne der Anklage kommen, drohen dem Jugendlichen, der zum Tatzeitpunkt das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, nach Paragraf 5 Ziffer 2 JGG ein bis zehn Jahre Haft. (APA)