Wilhelmshaven- Provozieren soll dieser Bildertausch nicht. Aber ein paar Aufregungen könnte es schon geben, räumt Pfarrer Frank Morgenstern von der evangelisch-lutherischen Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven ein. Das angestammte Altarbild, eine 1926 zum zehnten Jahrestag der Skagerrak-Seeschlacht von einem Marinemaler geschaffene Meeresidylle, hat vorübergehend einem "Schüttbild" des umstrittenen Wiener Aktionskünstlers Hermann Nitsch seinen Platz überlassen. Im Rahmen des Ausstellungsprojekts "Gott sehen" kann das Altarbild vom 3. Dezember bis 12. Februar in der Wilhelmshavener Kunsthalle besichtigt werden.

"Wir wollen keine Diskussion über Kunst oder Kitsch", versichert Kunsthallenleiter Daniel Spanke. Er hatte die Idee zu dieser Begegnung von Kunst aus Gotteshäusern mit insgesamt sieben Positionen zeitgenössischer weltlicher Kunst, die sich christlicher Motive bedient. Außer der Christus- und Garnisonkirche, die mit vielen Erinnerungsstücken an Siege und Niederlagen der Kriegsmarine ausgestattet ist, beteiligen sich die katholische Kirche St. Willehad in Wilhelmshaven und die evangelische Kirche St. Nicolai in Wittmund am Bildertausch.

Dialog erhofft

"Kunstgänger" und "Kirchgänger", wie Spanke die Adressaten der Ausstellung nennt, sollen zum Dialog miteinander angeregt werden, ihre Ansprüche an Kunst überprüfen und ihre Sichtweisen formulieren. Damit die Gespräche in Gang kommen, bieten Kunsthalle und Kirchengemeinden ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen und Diskussionen an. Anstelle eines Katalogs wird erst nach Abschluss des Projekts, das den Untertitel "Risiko und Chancen religiöser Bilder" hat, ein Buch mit Reaktionen und Schlussfolgerungen erscheinen.

Prominente Veteranen der religiösen Bildersprache im Kreis der sieben Gegenwartskünstler sind Hermann Nitsch (67) und sein Landsmann Arnulf Rainer (76), von dem bemalte Kruzifixe und Christusbilder in der Kunsthalle gezeigt werden. Beim "Schüttbild" von 1961 hat Nitsch auf die Leinwand Dispersionsfarben gekippt, deren Mischung den Eindruck getrockneten Blutes erwecken.

Morgenstern empfindet das Nitsch-Werk als "explosiv". Und dann erinnert der Pfarrer daran, dass 1916 bei der Skagerrak-Schlacht zwischen England und Deutschland mehr als 8.000 Matrosen ums Leben kamen, auf die es auf dem angestammten Altarbild mit den sanften Meereswellen keinen Hinweis gibt: "Der Bildertausch könnte auch Anregungen geben für den Umgang mit der Geschichte." (APA/dpa)