Joachim Seinfeld hat sich in sein Werk "Wenn Deutsche lustig sind", das Wiener Juden zeigt, die gezwungen werden, Straßen zu putzen, selbst als Täter hineinmontiert.

Foto: Seinfeld

Das "Gedankenjahr" endet im Forum Stadtpark mit der Ausstellung "Zur Tektonik der Geschichte" mit klaren Statements, wie sie 2005 bundesweit oft vermisst wurden.

Graz – Der steirische herbst im Gedenkjahr 1988 war unvergesslich. Besonders durch die spektakuläre Wiedererrichtung der NS-Siegessäule durch den Künstler Hans Haacke in der Grazer Innenstadt. Diese jagt einem auch noch 17 Jahre später kalte Schauer über den Rücken und war eines der treffsichersten künstlerischen Statements zur Geschichte, die die Stadt je sah. Wo heute der gläserne Lift des Medienkünstlers Richard Kriesche Passanten zur auf der Mariensäule thronenden Madonna hochfährt, stand während einiger Wochen der Nachbau eines schwarz-roten Monuments mit Reichsadler und der Aufschrift "Und ihr habt doch gesiegt".

Das hölzerne Kunstwerk verhüllte die Madonna genau wie es ein Stoff-Obelisk der Nazis im Juli 1938 tat, als Graz zur "Stadt der Volkserhebung" ernannt wurde. Die einzige Ergänzung, die Haackes Obelisk vom Original unterschied, waren die unter der Siegeslosung angebrachten Zahlen, welche die durch das Regime getöteten Roma, Juden, politischen Gefangenen, Zivilisten und Soldaten auflisteten.

Für jene, die den Krieg nicht erlebten hatten, funktionierte dieser Eingriff in den öffentlichen Raum ebenso wie für alte Menschen: Die Vergangenheit, die man sonst so schön vergessen konnte, stand unübersehbar im malerischen Innenstädtchen. Das rief auch Empörungen hervor, und schließlich wurde Haackes bemerkenswertes Werk durch einen Brandanschlag zerstört, bevor das Festival zu Ende war. Im nach allerlei unnötigen Jux-Peaces zu Ende gehenden aktuellen Gedenkjahr erinnert man sich nun in einer kleinen, aber eindrucksvollen Schau im Forum Stadtpark auch dieser Installation Haackes, die mittlerweile selbst zur Historie wurde und durch Fotografien dokumentiert wird.

Die von Andrea Domesle und Martin Krenn kuratierte Ausstellung "Zur Tektonik der Geschichte" vereint aber auch viele gegenwärtige – vorwiegend mit den Mitteln von Fotografie, Video und Film – betriebene Auseinandersetzungen mit den 30er- und 40er-Jahren. Gerade die Sprache von Bildern und deren Manipulation waren ja auch immer ein gewichtiger Teil nationalsozialistischer Propaganda, die von vielen Exponaten kritisch reflektiert wird.

Für die Niederlage

Bei ihrer Untersuchung der Zusammensetzung von Geschichte spielten auch Krenn, Charlotte Martinz-Turek, Nora Sternfeld und Luisa Ziaja mit nicht existierenden Monumenten. Ihre in der Schau dokumentierte eintägige Aktion, bei der sie in Wien den Sockel für ein "Monument für die Niederlage, Zeit der Befreiung 1945–1947" schufen, war eine Forderung nach einem Denkmal, das es in dieser Art nicht gibt.

Die Arisierung von jüdischen Geschäften und Gebäuden thematisieren hingegen Arbeiten wie Peter Weibels "Zeitschaufenster", für das er 1979 ein Geschäft in Graz mit Brettern zunagelte, oder Krenns Serie "Misplaced Histories", bestehend aus Briefwechseln mit Zeitzeugen und Aufnahmen von positiv besetzten Institutionen wie dem Wiener Riesenrad oder dem Berliner Zoo.

Alte Menschen, die einsam und gefangen in ihrer ganz persönlichen Erinnerung leben, hat Anna Konik in ihren Videos festgehalten. Die Erzähler sind doppelt montiert, sitzen wie Zwillinge neben sich selbst und hören sich zu.

Lisl Ponger brachte unter den Teppich gekehrten Dreck mit einer Fotoarbeit auf den Punkt, und Gustav Metzger verlangt Ganzkörpereinsatz, von allen, die zugedeckte Geschichte entdecken wollen: Seine bereits in den Neunzigerjahren gezeigte Installation "To Crawl Into" kann nur wirklich verstehen, wer unter ein Tuch kriecht, das den Raum fast ausfüllt: Ein trauriges Bild der Erniedrigung wartet im Halbdunkel. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.12.2005)