Der zutiefst verunsicherte Mann glaubt, nur ein Mann bleiben zu können, indem er das tötet, was er - scheinbar - liebt
Redaktion
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Die Familie, die Frau, das Kind - das gehört mir, und wenn man es mir wegnehmen will, dann töte ich die Frau oder das Kind oder beide - und dann mich selbst.
Das kommt in Österreich und anderswo nicht so selten vor. Diesmal war es ein türkischer Vater, der zur Schrotflinte griff, ein anderes Mal ist es ein "Inländer". Die Grundtragödie ist die gleiche - nicht umgehen können mit dem Entzug einer menschlichen Verfügungsmasse, derer man sich so sicher war. Eine Frau und die Kinder gehören dem Mann, denn das war schon immer so. Da kann die Frau vergeblich versuchen, sich zu verstecken, da geht der Mann sogar in Therapie - am Ende bleibt die Schusswaffe.
Es wird erlaubt sein, die Frage zu stellen, ob das Aufwachsen in einer patriarchalischen Macho-Kultur wie der türkischen nicht noch einen zusätzlichen Faktor darstellt (die These der Psychotherapeutin Rotraut Perner, wonach sich "inländische" Männer von den "ausländischen" sozusagen die vermehrte Gewaltbereitschaft abschauen, erscheint allerdings gewagt). Aber das Verhaltensmuster ist gleich, ob "Inländer" oder "Ausländer". Der zutiefst verunsicherte Mann glaubt, nur ein Mann bleiben zu können, indem er das tötet, was er - scheinbar - liebt. (DER STANDARD-Printausgabe 07.12.2005)
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