Madrid/Istanbul - Acht namhafte Schriftsteller, darunter die Nobelpreisträger Günter Grass, José Saramago (Portugal) und Gabriel Garcia Márquez (Kolumbien), haben die Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen den türkischen Autor Orhan Pamuk verlangt. Ein Prozess gegen den diesjährigen Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels sei mit einem Rechtsstaat "absolut unvereinbar", erklärten die Autoren in einem Manifest, das die spanische Mediengruppe PRISA am Montag in Madrid veröffentlichte.

Pamuk wies in Interview auf ermordete Armenier im Osmanischen Reich hin

Ein Istanbuler Bezirksstaatsanwalt hatte gegen den 53-jährigen Pamuk Anklage erhoben, weil dieser in einem Interview auf "eine Million Armenier" hingewiesen hatte, die im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich "ermordet" worden seien. Dafür droht ihm wegen "Herabsetzung des Türkentums" eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren. Die Türkei weist alle Vorwürfe, die in die Richtung eines Völkermords an den Armeniern gehen, entschieden zurück.

Die acht Schriftsteller betonten in ihrem Manifest, dass eine Meinungsäußerung über geschichtliche Ereignisse unter keinen Umständen ein Vergehen darstellen könne. Das Papier wurde neben den drei Nobelpreisträgern von den Autoren Umberto Eco (Italien), Carlos Fuentes (Mexiko), Juan Goytisolo (Spanien), John Updike (USA) und Mario Vargas Llosa (Peru) unterzeichnet.

Pamuk ist zuversichtlich

Pamuk selbst sieht seinem Prozess zuversichtlich entgegen. "Ich glaube nicht, dass sie mich ins Gefängnis werfen werden", schrieb der diesjährige Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels am Montag in einem Beitrag der Zeitung "Radikal". Wie sein Anwalt sei er der Meinung, dass es "falsch" gewesen sei, den an diesem Freitag beginnenden Prozess überhaupt zu eröffnen und er "von Rechts wegen im Recht" sei.

In dem Zeitungsbeitrag bekräftigte Pamuk seine Aussagen über den Kurdenkrieg und die türkischen Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg und plädierte für eine freimütige Diskussion darüber. Nicht die Debatte über dunkle Kapitel in der Geschichte beflecke die "Ehre" einer Nation, sondern das Verschweigen dieser Kapitel, schrieb Pamuk. Gegen ihn läuft noch ein weiteres Verfahren, in dem ihm wegen einer anderen Interview-Äußerung eine Beleidigung der Armee vorgeworfen wird.

Das Verfahren gegen Pamuk wird international mit großer Aufmerksamkeit verfolgt; zur Prozesseröffnung wird unter anderem eine Beobachterdelegation des Europaparlaments in Istanbul erwartet. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hatte Pamuk im Oktober in Istanbul einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Die EU verhandelt mit der Türkei seit 3. Oktober über einen Vollbeitritt des Landes zur Union. (APA/dpa)