Brüssel - Österreich wird nach Angaben von EU-Botschafter Gregor Woschnagg während seiner EU-Präsidentschaft im nächsten Halbjahr versuchen, "alle Elemente der EU-Verfassung zu erhalten". "Wir sind sehr vorsichtig, um kein Rosinenpicken zu bekommen", sagte der hochrangige Diplomat am Montag bei einem Vortrag in Brüssel.

Zu Jahresende werden 14 EU-Staaten den Vertrag ratifiziert haben "und dann hält der Zug", sagte Woschnagg, Man müsse realistisch sein und sehen, dass die Wiederaufnahme des Ratifizierungsprozesses "nicht in naher Zukunft stattfinden wird". Woschnagg: "Wir müssen das mit Fingerspitzengefühl behandeln. Wir dürfen nicht die zwei verschiedenen Lager aufbrechen, die es bei der Verfassung gibt. Wir versuchen sie zusammenzuführen." Österreich werde die "Reflexionsphase", die sich die EU in der Verfassungsdebatte bis Juni verordnet hat, aktiv nutzen, etwa durch verschiedene Internetforen zur Zukunft Europas, versicherte der Botschafter.

"Bereit und willig"

Nach der Einigung des EU-Gipfels am Wochenende auf die Finanzielle Vorausschau 2007 bis 2013 sieht Woschnagg die EU wieder "bereit und willig zu Entscheidungen". Das Jahr 2006 sei für die Union nach den negativen Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden sowie dem gescheiterte Finanzgipfel im Juni ein "Annus horribilis" gewesen. "Die Präsidentschaft wird eine schwere Herausforderung. Wir werden versuchen der EU einen neuen Schwung zu geben", sagte der EU-Botschafter.

Die Verhandlungen mit dem Europaparlament über den Finanzrahmen wolle die österreichische EU-Präsidentschaft bis spätestens März abschließen, damit es zu keinen Verzögerungen bei der Auszahlung von EU-Mitteln komme, sagte Woschnagg. Dabei werde es aber nicht viel Spielraum geben. "Wir müssen die Stimmung der Steuerzahler berücksichtigen. Wir können nicht viel höher gehen." Woschnagg verteidigte den beim Gipfel erzielten Haushaltskompromiss in Höhe von 862 Milliarden Euro. "Das Ergebnis ist gut für alle Mitgliedstaaten."

"Blut, Schweiß und Tränen"

"Blut, Schweiß und Tränen" erwartet der österreichische EU-Botschafter auch in der Arbeit zu einer Reihe anderer Dossiers während der nächsten sechs Monate. So sei außenpolitisch der Westbalkan ein Schwerpunkt des informellen Außenministertreffens im März in Salzburg. Die Entscheidung über die mögliche Verschiebung der Beitritte Rumäniens und Bulgariens von 2007 auf 2008 sei "ein weiteres schwieriges Dossier". In den Verhandlungen mit der Türkei und Kroatien werde Österreich ein "ehrlicher Makler" sein, versprach Woschnagg.

Vier allgemeine Schwerpunkte habe sich Österreich selbst gesetzt, betonte Woschnagg: Das Vetrauen der Bürger in das europäische Integrationsprojekt zu stärken, ein "europäisches Lebensmodell" zu entwickeln, welches die hohe Lebensqualität, Sozial- und Umweltstandards absichert, Wachstum und Beschäftigung zu fördern, und die außenpolitische Rolle Europas in der Welt zu stärken. (APA)