Rupert Everett, hier als Charles II, geboren 1959 in Norfolk, in jungen Jahren angeblich wegen Insubordination von der Central School of Speech and Drama in London verwiesen, machte 1984 mit "Another Country" auf sich aufmerksam. Weitere wichtige Filme des Akteurs und bekennenden Dandys: "Dance With A Stranger" (1985), "The Comfort of Strangers" (1990), "My Best Friend's Wedding" (1997) oder "An Ideal Husband" (1999).

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Der Kostümfilm "Stage Beauty" erzählt von der Kunst des Schauspiels in einer historischen Umbruchphase. Der britische Akteur Rupert Everett, der darin König Charles II verkörpert, zeichnet im Gespräch mit Bert Rebhandl ein überraschend negatives Bild von seinem Metier.


Wien/Berlin – Mit der Regentschaft von Charles II kam im 17. Jahrhundert ein neuer Geist der Freiheit nach London. Für den Bühnenstar Ned Kynaston (Billy Crudup) aber erweist sich der Fortschritt als Rückschlag. Ned ist ein gefragter Frauendarsteller. Seine Zeit läuft ab, als Charles II per Gesetz verfügt, dass Frauen nicht länger von Männern gespielt werden müssen. Der Kostümfilm "Stage Beauty" von Richard Eyre erzählt die Geschichte von Ned und seiner Ankleiderin Maria (Claire Danes) als bittersüße Romanze. Zwei US-Stars suchen zwischen britischen Charakterdarstellern nach ihrem Stil. Rupert Everett, der Charles II spielt, kennt beide Welten – er ist in Hollywood aber nie richtig heimisch geworden. Im Interview an einem Spätsommertag in Berlin zeichnet er ein überraschend negatives Bild von seinem Metier.


STANDARD: Mr Everett, Sie haben seit Stage Beauty bereits sieben weitere Filmprojekte auf Ihrer Liste. Im nächsten Jahr werden Sie in der Komödie The Great Farrell zu sehen sein. Da müssen Sie ja ständig unterwegs sein. Woher sind Sie denn eingeflogen?

Rupert Everett: Ich bin schon seit einem Monat hier.

STANDARD: Das klingt nach mehr als nach einem Urlaub.

Everett: Ich lebe für eine Weile in Berlin. Es ist eine sehr erfrischende Stadt. Es ist nicht so geldbesessen wie der Rest von Europa und hat deswegen eine Qualität bewahrt, die der Rest von unseren Städten nicht mehr hat – in der Zeit von Chirac und Thatcher.

STANDARD: Was haben der französische Präsident und die ehemalige britische Premierministerin angerichtet?

Everett: Sie haben das Gesicht von Europa verändert. Als ich zum ersten Mal nach Paris zog, hatte Chirac gerade das große Loch in Les Halles geschlagen – ein mittelalterlicher Teil der Stadt wurde mit übler Architektur überzogen, nur um Geld für seine Freunde zu machen. Das war skandalös, und es war ein Ende. Danach war Paris nicht mehr so, wie ich es kannte.

STANDARD: Und London nach Thatcher nicht mehr so wie London vor Punk?

Everett: Meine Zeit begann ein, zwei Jahre vor Punk. Ich kam 1976 nach London, drei Jahre vor Thatcher. Diese beiden Phänomene gehören zusammen.

STANDARD: Stage Beauty spielt im alten London. Was hat Sie bewogen, den Part von Charles II zu übernehmen?

Everett: Es ist eine sehr gute Rolle. Man muss dafür nicht viel arbeiten, weil sie so gut geschrieben ist. Sie hat alles, was ich brauche, ich muss nicht versuchen, mühsam etwas herauszuholen.

STANDARD: Sie sind seit mehr als zwanzig Jahren im Filmgeschäft. Ihren "Durchbruch" hatten Sie 1984 mit Another Country. Wie sind Ihre Erinnerungen daran?

Everett: Das war sehr wichtig für mich. Ein Freund hat den Film produziert, ich war schon in der Bühnenfassung. Ich habe danach eine Menge anderer Jobs bekommen – für eine Weile.

STANDARD: Läuft es jetzt nicht mehr so gut?

Everett: Ich habe aufgehört zu arbeiten, um ehrlich zu sein. Ich will nicht mehr so viel schauspielern.

STANDARD: Wie kommt das, wo Sie anscheinend permanent arbeiten?

Everett: Es ist ein wenig langeilig! Es geht nicht um das Drehen, es geht darum, Arbeit zu bekommen und sich im Geschäft zu halten. Das interessiert mich nicht mehr.

STANDARD: Die Menschen möchten sich manchmal vorstellen, wie ein Filmstar im richtigen Leben so ist. Sind Sie vielleicht in der Rolle, die Sie in My Best Friend's Wedding gespielt haben, wiederzufinden?

Everett: Nein, das trifft nicht zu. Das ist eine sehr amerikanische Geschichte. Mein Hintergrund ist doch sehr anders. Aber es ist eine gute Hollywoodkomödie, wenn man bedenkt, wie schlecht die meisten sind. Sie ist individuell.

STANDARD: Stage Beauty erinnert ein wenig an den Erfolgsfilm Shakespeare in Love. Wie kamen Sie mit den viel gescholtenen Weinsteins aus?

Everett: Ich war nur zwei Tage dort. Bob und Harvey Weinstein sind hart in der Zusammenarbeit. So sind sie eben. Das muss ich akzeptieren. Wenn ich anfange zu überlegen, ob das gut oder schlecht ist, komme ich in Schwierigkeiten. Für Filmemacher sind sie sicher hart zu verkraften. Ich möchte nicht im Schneideraum mit ihnen zu tun haben. Sie machen geniale und desaströse Dinge, der Mix zeichnet sie aus. Sie haben Charakter. Manchmal ist es auch schlechter Charakter. Harvey raucht im Flugzeug und lässt sich dafür verhaften! Sie sind eine Macht.

STANDARD: Bevorzugen Sie persönlich europäische Filme?

Everett:Das ist mir kein Anliegen.

STANDARD: Was wäre notwendig, um Sie wieder mehr fürs Kino zu begeistern?

Everett: Eine gute Rolle.

STANDARD: Sind Sie zu sehr durch ein Image definiert?

Everett: Ich habe das Bedürfnis, mich zu entdefinieren.

STANDARD: Eine moderne Idee. Everett: Ich habe mich zu stark definiert in meinem Job, habe ihn zu wichtig genommen. Das kommt mir alles nicht mehr so bedeutend vor. Das Metier scheint mir die Gier zu definieren, mit der ich nichts zu tun haben möchte. Das ist eine Kultur, in der es darum geht, immer mehr zu bekommen. Man kann nicht einfach jemand sein. Je reicher man wird, desto ärmer fühlt man sich. Das Showbiz ist wie eine Cartoon-Version dessen, was in der westlichen Kultur schief geht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.12.2005)