Ulrich Weinzierl,
Hofmannsthal.
Skizzen zu seinem Bild.
€ 22,10/320 Seiten.
Zsolnay, Wien 2005

Buchcover: Zsolnay
Kann man über jemanden eine Biografie schreiben, ohne dessen Schattenseiten zu verschweigen, und zugleich das Maß an Bewunderung plausibel machen, die man ihm zollt? Ulrich Weinzierl hat dieses äquilibristische Kunststück mit seinem Buch über Hofmannsthal zuwege gebracht. Was der Autor bescheiden Skizzen zu seinem Bild nennt, ist in Wahrheit ein subtil ausgearbeitetes Porträt, in dem altbekanntes Material neu gewichtet und neues (etwa der Nachlassakt im Bezirksgericht Liesing) souverän ausgewertet erscheinen.

Weinzierl interessiert sich zunächst für Hofmannsthals aristokratischen Komplex; einen solchen hat man auch Karl Kraus oder Thomas Bernhard attestiert. Anders als sie war der Liebling der Fin-de-Siècle-Gesellschaft zwar tatsächlich von Adel, aber nach seinem Geschmack wohl von zu geringem – oder zu jungem. Denn erst sein Urgroßvater Isaac Loew war vom Kaiser nobilitiert worden, womit sich der zweite Komplex ergibt: Sowohl nach den Gesetzen der Halacha als auch denen der Nazis war der Dichter mit einem jüdischen Großelternteil – Weinzierl nennt das mit der ihm eigenen beherzten Eleganz "Rassenbruchrechnung" – kein Jude. Weil aber gerade sein adeliger Name das "jüdische Blut" verriet, wurde er im Kulturkampf-Diskurs der Zeitgenossen als Jude entweder reklamiert, "geoutet" oder denunziert.

Dass der als Loris berühmt Gewordene sich selbst abfällig über "jüdische" Geistigkeit äußerte, beurteilt Weinzierl wohl gar zu streng. Es ist freilich schwer, die antisemitischen Phrasen der Jahrhundertwende post festum nur als borniert zu sehen – und nicht als mörderisch. Der Biograf seinerseits benutzt den "Geburtsfehler" des Dichters als Mittel positiver Distinktion: Nur einem Außenseiter konnte ein Glanzstück wie Der Schwierige gelingen.

Weinzierl zeigt, wie Hofmannsthal es sich 1914 mit dem Frontdienst "richtete" und dafür patriotische "Brokatprosa" produzierte. Wiewohl im Laufe des Krieges ernüchtert, rückte Hofmannsthal nach dem Zusammenbruch der Monarchie noch weiter nach rechts. Ein Snob war er immer schon gewesen, "nicht allein in Sachen des Meublements und der Kleidung, oft mehr auf Gothas als auf Goethes Spuren" (Walter Jens).

In dieser Biografie wird aber vor allem Hofmannsthals Talent zur Freundschaft und glühenden Menschenbegeisterung gewürdigt, weniger seine Beziehung zu Frauen als die mehr oder minder erotisch affizierte zu Männern, zu Stefan George, Leopold von Andrian, Harry Graf Kessler oder Carl J. Burckhardt. Klug gewählte Zitate belegen indes auch, wie undiplomatisch brüsk Herr von Hofmannsthal sein konnte. Die Familie spielte stets nur die zweite Geige, dennoch war es wohl der Selbstmord seines Sohnes Franz, der am Begräbnistag den tödlichen Schlaganfall des Dichters auslöste. Geradezu prätentiös unprätentiös sein letzter Wunsch: in einer Franziskanerkutte bestattet zu werden. (DER STANDARD, ALBUM, Printausgabe vom 31.12.2005/1.1.2006)