"Der Dobratsch ist die größte Bergsturzlandschaft der Ostalpen", erzählt Klaus Kugi, Obmann des Kärntner Naturschutzbundes. Das 2166 Meter hohe Massiv erhebt sich westlich von Villach, wurde bereits 1942 unter Naturschutz gestellt und ist somit das älteste Naturschutzgebiet Kärntens. An seiner Südseite sind rund 24 Quadratkilometer des Unteren Gailtals entlang des Hangfußes mit Geröllmassen aus Bergstürzen bedeckt. 1995 nominierte die Kärntner Landesregierung das Naturschutzgebiet "Villacher Alpe - Dobratsch" für die Aufnahme in das europaweite Netzwerk besonderer Schutzgebiete "Natura 2000". Im Jahr 2000 folgte das Gebiet "Schütt-Graschelitzen", sodass eine geschlossene Natura-2000-Fläche mit 4639 Hektar entstanden ist.

Flora und Fauna dieser Gegend sind das Ergebnis einer langfristigen Anpassung einzelner Arten an die karge Felslandschaft. Wegen seines warmen Klimas wird der Dobratsch auch als "Tor zum Süden" bezeichnet und gilt als einer der letzten Vorposten der mediterranen Tierwelt in Österreich.

Sowohl die Schuttmassen als auch die südgerichteten Wände sind Heimat von über 700 Pflanzen, über 900 Schmetterlings- und 125 Vogelarten. Hier ist die einzige Stelle in Österreich, an der die Illyrische Gladiole zu finden ist. Auch andere "Raritäten" wie die Smaragdeidechse, die Hornviper, der Deutsche Skorpion und der Uhu leben in dieser Region, dazu zählen auch verschiedene Fledermausarten wie die Kleine Hufeisennase, das Große Mausohr oder das Braune Langohr.

Anfang der 1980er-Jahre war es mit der Unberührtheit dieser Landschaft vorbei. Obwohl nach längerer Diskussion eine "naturschonende" Trassenführung durchgesetzt wurde, schneidet heute der breite Korridor der Südautobahn tief in das "Steinerne Meer". Das Natura-2000-Gebiet südlich der Gail zwischen Oberschütt und Gailitzfluss wird dadurch auf einer Länge von rund fünf Kilometern geteilt.

"Die Autobahn hat die Lebensräume hermetisch abgeriegelt", beschreibt Kugi die Folgen. Es komme zu einer "genetischen Inselbildung, da die Tiere nun nicht mehr in der Lage sind, ihre Gene auszutauschen, was wiederum zur Degeneration führt".

Die A2 durchtrennt auch den uralten Wanderweg der Braunbären, die von Slowenien aus in den österreichischen Alpenraum wechseln. Eine Grünbrücke über die Autobahn, eine so genannte "Bärenbrücke", stellte die unterbrochene Verbindung wieder her, einer der Beiträge zur Stabilisierung der Braunbärenpopulationen.

Allerdings war die Durchsetzung dieser Maßnahme nicht ganz unproblematisch. "Wir mussten einige Widerstände überwinden. Vor allem weil die Errichtung so teuer war", erklärt der Naturschutz-Experte. Es sei in diesem Zusammenhang noch viel Öffentlichkeitsarbeit zu leisten: "Die Menschen müssen immer wieder aufs Neue von der Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen überzeugt werden", meint Kugi. (DER STANDARD, Printausgabe vom 31.1.2005/1.1.2006)