Der Naftogaz-Chef Oleksiy Ivchenko und sein russischer Gesprächspartner Alexei Miller (Gazprom) nach dem erfolgreichen Ende der Gespräche in Moskau.

Die Einigung in dem seit Monaten schwelenden und am Neujahrstag eskalierten Konflikt über höhere Gaspreise zwischen Russland und der Ukraine kam über Nacht. Die Ukraine wird künftig weniger Gas direkt aus Russland importieren, dafür aber rückwirkend mit 1. Jänner den von Gasprom geforderten Preis von 230 Dollar je 1000 Kubikmeter bezahlen, hieß es Mittwochfrüh.

"Nach der politischen Einigung war die technische Seite ein Klacks", sagte der Vorstand der Raiffeisen Investmentbank AG (RIAG), Wolfgang Putschek, im Gespräch mit dem STANDARD. Die RIAG war am Zustandekommen des Deals mitbeteiligt. Und der geht so: Die Zwischenhandelsfirma Rosukrenergo kauft Russland Gas zum geforderten Marktpreis von 230 Dollar je 1000 Kubikmeter ab und kauft billigeres Gas aus Turkmenien und Kasachstan zu.

Daraus ergibt sich ein Mischpreis, demzufolge das Gas wesentlich günstiger an die Ukraine weiterverkauft werden kann - um 95 Dollar. Weil die Ukraine im Gegenzug auch die Transitgebühren anheben kann, wird sie für das Gas tatsächlich etwa 70 statt bisher 50 Dollar je 1000 Kubikmeter zahlen.

"Erster schöner Erfolg für die EU-Präsidentschaft"

"Das ist ein erster schöner Erfolg für die EU-Präsidentschaft", meinte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein zum STANDARD. Er führt die Einigung auf die stille Diplomatie zurück. Energiekommissar Andris Piebalgs gab dagegen offen zu, von der raschen Beilegung des Konflikts überrascht gewesen zu sein.

Das Medieninteresse war auf jeden Fall groß, als Piebalgs und Bartenstein nach der Sitzung der Energieexperten der 25 EU-Staaten am Mittwochmittag im Kommissionsgebäude vor die Presse traten. Bartenstein beantwortete die Fragen auch in flüssigem Englisch und betonte, dass der Gasstreit zwar abgehakt sei, "aber wir aus der Lektion lernen müssen".

Welche Lehren auf EU-Ebene gezogen werden, wird eines der beherrschenden Themen auf dem EU-Gipfel im März sein, auch wenn Piebalgs nicht mit Preiserhöhungen für die Verbraucher durch den Konflikt rechnet. Bartenstein kündigte an, dem Thema Energiesicherheit "Vorrang einzuräumen". Dazu gehöre auch der Bau der Nabucco-Pipeline aus dem iranischen Grenzgebiet über die Türkei nach Westeuropa.

Es gebe zwar noch einige offene Fragen sowohl aufseiten der bei dem Projekt federführenden OMV als auch der Türkei, sagte Bartenstein. Er hoffe aber, dass dieses Projekt bis 2011 realisiert werden könne. Auf diesem Wege könnten rund 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Österreich geliefert werden, in Baumgarten gelangten derzeit aus der Ukraine kommend 42 bis 43 Milliarden Kubikmeter an.

Atom-Debatte

Darauf angesprochen, dass der Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Energiepolitik ein Credo für mehr Kernenergie enthalten könnte, sagte Bartenstein: "Es bleibt bei einem klaren Nein dazu in Österreich." Zur von der CSU in Deutschland angestoßenen Debatte, den Atomausstieg hinauszuzögern, sagte Bartenstein: "Es gibt die Debatte schon länger. Aber ich will mich hier nicht einmischen."

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer forderte als Lehre daraus die Forcierung von Alternativenergien. Die SPÖ sei wenig glaubwürdig, sagte Grünen- Chef Alexander Van der Bellen. Er verwies darauf, dass die SPÖ noch vor wenigen Wochen der so genannten Ökostromnovelle zugestimmt hat, die in Wirklichkeit ein "Umweltzerstörungsgesetz" sei und eine Reduzierung der Förderung erneuerbarer Energien um mehr als 80 Prozent vorsehe. (Alexandra Föderl-Schmid, Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 05.01.2006)