Kiew/Moskau/Wien - Zwei Tage nach der mühsam ausgehandelten Einigung im Gasstreit mit Russland hat die Ukraine mitgeteilt, sie benötige im laufenden Jahr überhaupt kein Gas vom östlichen Nachbarn. Aufgrund umfangreicher Lieferzusagen aus Turkmenistan sei die Ukraine bis auf weiteres nicht auf das deutlich teurere Gas aus Russland angewiesen, teilte der staatliche ukrainische Energieversorger Naftogas Ukrainy am Freitag in Kiew mit.

Klage gegen Gasvertrag

Die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko hatte am Vortag in Kiew eine Klage gegen den am Mittwoch mit Russland ausgehandelten Gasvertrag angekündigt.

Der nach wochenlangem Konflikt zwischen beiden Ländern ausgehandelte Vertrag habe "das einheitliche und zuverlässige System zur Gasversorgung der Ukraine zerstört", sagte Timoschenko nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Nach Ansicht Timoschenkos sei die Ukraine berechtigt, auch weiterhin billiges Gas aus Russland zum Preis von 50 Dollar (42 Euro) je 1.000 Kubikmeter Gas zu beziehen. Ein entsprechender Vertrag laufe bis 2010.

Einheitspreis von 95 Dollar

Timoschenko bezog sich dabei offensichtlich auf frühere Regierungsvereinbarungen, die aber von dem russischen Gasförderkonzern Gazprom nicht mehr anerkannt werden. Der von Naftogas Ukrainy in Moskau unterzeichnete Vertrag schreibt eine Versorgung mit russischem und zentralasiatischem Gas zu einem Einheitspreis von 95 Dollar fest.

Der ukrainische Regierungschef Juri Jechanurow hatte am Donnerstag in Kiew mitgeteilt, sein Land werde in diesem Jahr weiterhin Gas aus Turkmenistan zu einem deutlich niedrigeren Preis beziehen, als bei der Bekanntgabe der Vereinbarung von Moskau verkündet worden war. Nach Angaben Jechanurows wird die Ukraine für turkmenisches Gas im ersten Halbjahr 50 Dollar (42 Euro) zahlen und in der zweiten Jahreshälfte 60 Dollar.

Gaspreis von 230 Dollar

Der Gazprom-Konzern hatte zum Jahreswechsel von der Ukraine einen fast fünf Mal höheren Gaspreis von 230 Dollar verlangt. Weil Kiew dies verweigerte, drehte Gasprom den Ukrainern das Gas ab. Als sich Abnehmer in Mittel- und Westeuropa über gesunkenen Gasdruck in den Transitleitungen beklagten, warf Moskau den Ukrainern Diebstahl vor. Kiew dementierte dies.

Bei der Einigung auf einen neuen Rahmenvertrag zur Versorgung der Ukraine mit Gas hat, wie berichtet, auch die RZB-Tochter Raiffeisen Investment Bank AG (RIAG) bedeutend mitgewirkt. Der Vereinbarung zufolge sollte die Ukraine weniger Gas direkt aus Russland importieren, dafür aber den von Gazprom geforderten Preis von 230 Dollar je 1.000 Kubikmeter bezahlen. Durch eine spürbare Erhöhung der Importe billigeren Gases aus Turkmenistan und Kasachstan bezahlt die Ukraine jedoch, so sieht es der neue Vertrag vor, letztlich im Schnitt lediglich 95 Dollar je 1.000 Kubikmeter. Das Geschäft läuft über das Energieunternehmen Rosukrenergo, dessen Aktionäre je zur Hälfte eine Gazprom-Tochter und die österreichische Raiffeisen Investment AG (RIAG) sind. (APA)