Neelie Kroes hat schon häufiger laut ausgesprochen, was andere in Brüssel denken. Diesmal hat die eigentlich für Wettbewerbsfragen zuständige EU-Kommissarin im niederländischen Fernsehen erklärt, dass die derzeit aus 25 Mitgliedern bestehende EU nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens keine weiteren Staaten mehr aufnehmen sollte. "Ich denke, dass wir bei 27 sagen müssen: Da ist die Grenze", sagte die konservativ-liberale Politikerin.

Der Kommissionssprecher versuchte die Aufregung zu dämpfen, indem er erklärte, die Äußerungen hätten sich auf die bestehenden EU-Verträge bezogen. Die Verfassung, die derzeit auf Eis liegt und über deren Zukunft im Juni unter österreichischem Vorsitz eine Entscheidung fallen soll, sollte die EU fit für die Erweiterung machen.

EU-weit wächst die Skepsis über die weitere Ausdehnung der EU, obwohl die EU im Oktober Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien aufgenommen und im Dezember Mazedonien den Status eines Beitrittskandidaten zuerkannt hat. Am 17. Mai will die EU-Kommission einen Bericht vorlegen, ob Rumänien und Bulgarien 2007 oder erst 2008 der EU beitreten können. Im Gespräch ist auch ein dritter Weg: ein Beitritt mit Einschränkungen, um Rumänien und Bulgarien zu weiteren Reformen, etwa im Justizbereich und bei der Korruptionsbekämpfung, zu zwingen.

So können laut Brüsseler Diplomaten bis zu drei Jahre nach einem Beitritt Grundfreiheiten der EU für die beiden Staaten ausgesetzt werden, etwa die Dienstleistungsfreiheit. Ein weiteres "Damoklesschwert", wie es in Brüssel heißt, sei auch die Drohung, dass es weniger Strukturmittel oder Agrarsubventionen gebe.

Bisher haben auch erst die Slowakei, Ungarn, Slowenien, Zypern, Griechenland und Estland den Beitrittsvertrag mit den beiden Anwärterstaaten ratifiziert. Tschechien und Italien wollen den Ratifikationsprozess in den nächsten Wochen abschließen, die österreichische Regierung plant dies für die erste Jahreshälfte 2006. Da aber die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden durch alle 25 EU-Staaten Voraussetzung für den Beitritt ist, kann dies noch zu einer Zitterpartie für Rumänien und Bulgarien werden, sollten die EU-Staaten unter österreichischem Vorsitz grünes Licht für einen Beitritt 2007 geben.

Mazedonien muss sich dagegen auf eine lange Wartezeit einstellen. Bei der Türkei seien zwischen der Gewährung des Kandidatenstatus und der Festsetzung eines konkreten Datums für Verhandlungen vier Jahre vergangen, heißt es in Diplomatenkreisen. Der türkische Außenminister Abdullah Gül zeigte sich dagegen am Freitag überzeugt, dass sein Land in sechs Jahren die EU-Beitrittsverhandlungen abgeschlossen habe. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.1.2006)