Was die Kritik am Europäischen Gerichtshof betrifft, sind sich Justizministerin Karin Gastinger und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einig.

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Justizministerin Karin Gastinger trägt die Kritik von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Europäischen Gerichtshof mit. Schüssel habe die mangelnden Übergangsfristen und die Frage der Verhältnismäßigkeit von EuGH-Urteilen in Frage gestellt. Sie sehe es "auch als Problem" an, dass der Europäische Gerichtshof im Gegensatz zum österreichischen Verfassungsgerichtshof keine Übergangsfristen für die Umsetzung von Urteilen vorsehe, sagte Gastinger im Gespräch mit dem STANDARD im Vorfeld des ersten Innen- und Justizministerrates der EU unter österreichischem Vorsitz, der heute, Donnerstag, in Wien beginnt. "Diese Kritikpunkte trage ich mit. Es ist auch ein Punkt, wie mit dem Gemeinschaftsvertrag umgegangen wird."

Konsequenzen zu diskutieren sei aber eine Sache der Staats- und Regierungschefs und nicht der Justizminister. "Von österreichischer Seite kann man leider nicht einfach sagen, wir akzeptieren das nicht, weil uns das nicht passt", sagte sie mit Blick auf das Urteil zum Zugang ausländischer Studenten an österreichischen Hochschulen.

Unterstützung für Frattini

Gastinger unterstützt auch EU-Justizkommissar Franco Frattini, der damit gedroht hatte, dass die EU-Beitrittsgesuche von Rumänien und Bulgarien neu bewertet werden müssten, sollte sich herausstellen, dass es dort CIA-Gefängnisse gebe. EU-Mitgliedern drohte Frattini den temporären Entzug von Stimmrechten im Rat an. Auch hier teile sie die Auffassung Frattinis, so Gastinger. "Ich gehe davon aus, dass die EU-Kommission das rechtlich geprüft hat. Wenn das möglich ist, unterstützen wir das. Aber ich gehe davon aus, dass hier die EU-Kommission aktiv wird."

In der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen auf EU-Ebene begrüßt Gastinger "den Weg, wie er von der EU-Kommission vorgeschlagen wird". Noch während der österreichischen EU-Präsidentschaft soll mit der Ukraine oder Moldawien ein Schutzprogramm für Flüchtlinge starten. Die BZÖ-Politikerin sieht in dieser Frage "keine Differenzen" mit Innenministerin Liese Prokop (ÖVP). Das BZÖ hatte zuvor die Idee für den Plan für sich reklamiert. Immigration und Asyl werden auch die Hauptthemen des Ministerrates in Wien sein.

Diskussion über Mindeststandards

Während der österreichischen EU-Präsidentschaft will Gastinger die Diskussion über Mindeststandards für die Zusammenarbeit im Justizbereich in den Mittelpunkt stellen. "Beim Strafrecht haben wir unterschiedliche Rechtssysteme. Hier spiegeln sich auch Werte wider, und das ist auch gut so. Wichtig ist aber, wenn man die Zusammenarbeit verbessern will, dass man Mindeststandards festlegt." Im Verfahrensrecht wolle man solche Mindeststandards erarbeiten.

Der EuGH hatte im Vorjahr erstmals die Möglichkeit von EU-Strafmaßnahmen im Umweltrecht bestätigt, obwohl dies in nationales Strafrecht eingreift. Mit diesem Urteil hat der EuGH die Befugnisse von Kommission und Europaparlament gegenüber Mitgliedstaaten deutlich gestärkt. "Wir müssen nun klären, wie gehen wir als Mitgliedstaaten damit weiter um", sagte Gastinger. Unter österreichischem Vorsitz soll eine Entscheidung fallen. (DER STANDARD, Printausgabe 12.1.2006)