Wien - Außen-Staatssekretär Hans Winkler hat sich belustigt über die Debatte gezeigt, ob die EU-Verfassung nun "tot", "lebendig" oder "im Gefrierschrank" ist. "Die österreichische Präsidentschaft ist weder ein Gerichtsmediziner, noch ein Doktor oder eine Krankenschwester", sagte Winkler am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion in der Diplomatischen Akademie in Wien. Der Ratsvorsitz wolle vielmehr die Debatte über die Verfassung "stimulieren", mit dem Ziel, bis Juni eine gemeinsame Position der 25 EU-Staaten zu finden.

Der niederländische Außenminister Bernard Bot hatte die EU-Verfassung am Mittwoch als "tot" bezeichnet und widersprach damit entsprechenden Aussagen des EU-Ratsvorsitzenden Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) vom Montag. Winkler sagte in offenkundiger Anspielung auf diese Differenzen, man könne nicht erwarten, dass zehn Tage nach dem Beginn der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft die Staaten ihrer unterschiedlichen Meinungen in dieser Frage aufgeben. Es sei vielmehr "gut", dass es "so viele verschiedene Meinungen und Ansichten gibt, denn das ist es, was Europa ausmacht".

Winkler äußerte die Hoffnung, dass man sich gegen Ende des österreichischen Vorsitzes auf eine Art "Fahrplan" für die künftige Vorgangsweise hinsichtlich der EU-Verfassung werde einigen können. Die Aufgabe Österreichs sei es, "die nationalen Debatten zusammenzufassen und zu analysieren". Dabei müsse in einem breiteren Sinne über die Zukunft Europas debattiert werden, etwa über die Grenzen der EU, die Zuständigkeiten der Staaten und der Union, die EU-Institutionen und das "europäische Lebensmodell" an sich.

Als erste Priorität des österreichischen Vorsitzes nannte der Staatssekretär die Wirtschaftspolitik. Nur mit konkreten Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur und Schaffung von Arbeitsplätzen könne die Union nämlich etwas vom verlorenen Vertrauen der Bürger wiedergewinnen. "Die EU muss mehr Relevanz für die Bedürfnisse der Menschen haben", betonte er. In diesem Zusammenhang bekräftigte er auch die Absicht, die umstrittene Dienstleistungsrichtlinie im Zusammenwirken mit den europäischen Sozialpartnern bis Juni unter Dach und Fach zu bringen.

Rumänischer Außenminister wirbt für Fortsetzung der EU-Erweiterung

Der rumänische Außenminister Mihai-Razvan Ungureanu sprach sich ungeachtet der diesbezüglichen Skepsis in den "alten" Mitgliedstaaten für eine Fortsetzung der EU-Erweiterung aus. Die europäische Integration sei ein Projekt zur Verbreitung von Demokratie. "Deshalb bin ich glücklich, dass Europa bisher noch keine Grenzen hat." Die Erweiterung schade der Union nicht, während die EU-Beitrittsperspektive für die Staaten Ost- und Südosteuropas zu Reformen und Zusammenarbeit zwinge. Außerdem habe die europäische Integration das "historische Wunder" bewirkt, dass es in den vergangenen 60 Jahren keinen Krieg mehr gegeben habe.

Als Grund für die EU-Skepsis in Westeuropa machte Ungureanu die Unzufriedenheit mit der sozialen Lage aus. Eine "positive Antwort" auf diese Sorgen wären Strukturreformen, da das europäische Sozialmodell ohne starke Wirtschaft nicht aufrechterhalten werden könne. Zu den EU-Beitrittsperspektiven von Rumänien und Bulgarien sagte der Minister, die beiden Länder seien "sehr nahe" daran, die gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Es gebe zwar noch Probleme bei Justizreform und Korruption, doch die EU-Mitgliedschaft sei die beste Gewähr dafür, dass der diesbezügliche Mentalitätswandel in den Kandidatenländern abgeschlossen werde.

Noch vor Juni entscheiden die EU-Staaten darüber, ob die beiden Kandidatenländer Anfang 2007 der Union beitreten oder ein Jahr später. Winkler sagte, der österreichische Ratsvorsitz sei "sehr dafür", dass es den frühestmöglichen Beitritt gebe, es müssten dafür aber noch "einige Schritte" durch Sofia und Bukarest gesetzt werden. (APA)