Michael Gehler, Zeithistoriker an der Uni Innsbruck und Autor.

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derStandard.at: Welche Bedeutung hat der aktuelle EU-Vorsitz für die Außenpolitk Österreichs?

Gehler: Für Österreichs Außenpolitik ist der EU-Vorsitz eine enorme Herausforderung. Es ist eine der schwierigsten Aufgaben in ihrer Geschichte nach Staatsvertrag und EU-Beitritt. Vor allem hat sie nicht zehn Jahre dafür Zeit, sondern nur 6 Monate, was die Erfolgsaussichten minimiert.

derStandard.at: Was sind die Unterschiede zur ersten Präsidentschaft 1998?

Gehler: Im Rückblick scheint die Aufgabenfülle 1998 begrenzt, was so nicht stimmt. Heute sind die zu lösenden Probleme jedoch unüberschaubar. Die EU-Staaten haben sich in den Jahren zu viel Zeit gelassen. Neben dem kaum mehr gutzumachenden Zeitverlust sind enorme strukturelle Probleme zu lösen.

Heute sind es 25 EU-Staaten plus die großen Fragen der Weltpolitik, die zu koordinieren sind. Die Ballhausplatz-Diplomatie werkt heute am Minoritenplatz und rund um den gesamten Globus. Ein kleiner Staat kann mit den gigantischen EU-Aufgaben wachsen. Allerdings werden auch die Grenzen seiner Außenpolitik erkennbar. Ich wünsche mir noch mehr Mut und Schwung. Entscheidend ist nicht, was für Österreich herausspringt, sondern ob die EU vorankommt, d.h. die Europäer für sich gewinnen kann. (mhe)