Die kalten Nordwinde bleiben draußen, Sonne und Garten sind willkommen.

Foto: Christian Steiner
Verwurzelt mit dem Kreislauf der Natur, verwirklichte die Familie Steiner am elterlichen Grund in Zurndorf ihren Traum vom ganzheitlichen Leben. Arbeiten und Wohnen, Garten und Ort, der alte Hof und die mit Architekt Martin Rührnschopf ökologisch geplanten Niedrigenergie- Passiv-Neubauten bilden eine gelungene Symbiose.

***

Als das Ehepaar Steiner den Sohn im Kinderwagen durch Wiener Hausschluchten schob, stellte es seine Lebensweichen neu. Beide sind im Burgenland geboren und wollten mit dem Ortswechsel aufs Land ihr gesamtes Arbeits- und Wohnumfeld ganzheitlich naturnah an Garten und Sonne im ökologischen Passiv-Haus neu gestalten. Ihre Eltern bewohnen die Ostflanke eines L-förmigen, einstöckigen, satteldachgedeckten Streckhofs in Zurndorf. Im Nachbarhaus lebt der Bruder am gemeinsamen ortskernnahen Hintergartenidyll, über das die Türme der evang. und kath. Kirche ragen.

Brücken

Im Nordtrakt betrieb der Vater an der Mühlgasse, wo das Entlastungsgerinne der Leitha fließt, eine Tischlerei. Davor erstreckte sich ein Baugrundzwickel zur Kreuzung im Westen. Um den offenen Wasserlauf zu erhalten, führen nun zwei Brücken von der Straße ins Private. Die hofgemäßen Zufahrten bilden eine klare Zäsur zwischen Arbeiten und Wohnen, die Neubauten folgen der Bestandsflucht. Selbstbewusst markiert das zweistöckige, lehmverputzte Wohnhaus sein Straßeneck, der ummauerte Spitz birgt einen lauschigen Obstgarten. Dreiseitig umhüllen hochgedämmte, wärmespeichernde Außenwände das lichte, südverglaste Innere. Innovativ sind sie außen mit putztragenden, installationsführenden, drahtgebundenen, innen mit gepressten Schilfplatten verkleidet.

Sparsam ist die Nordfassade von stiegenerhellenden Längsschlitzen und schmalen Glasstreifen durchbrochen, die oben dem Schlafflur und unten der Eckbank am Esstisch Ausblick und Licht schenken. Harmonisch leitet der leichte, einstöckige Zubau mit horizontaler Lärchenlattung und begrüntem Flachdach zum Altbau über. Ein zartes, umlaufendes Oberlichtband lässt die Decke schwebend erscheinen und gibt dem multifunktionalen Innenraum mit dem schönen Bambusstreifenboden einen Panoramahorizont nach draußen. Er ist Atelier und Shiatsu- Praxis der Baufrau, den Sanitär- und Garderobentrakt an der Straße nutzt die Firma des Bauherrn mit. Außen unverändert, wurde ein thermisch mit Isolierglas und Dämmung verbesserter Raum der alten Tischlerei zum Büro von "so(u)lnetwork", das in Planungsworkshops zwischen Professionisten und Bauherren Räume mit Seele in Niedrigenergie- und Passivbauweise realisiert.

Geschützter Innenhof

Das erste so von Architekt Martin Rührnschopf geplante Referenzprojekt ist das Lebenszentrum der Familie Steiner, das 2005 den österr. Solarpreis bekam. Wie eine Klammer umschließt ein traditioneller Laubengang mit gebranntem Ziegelboden als gedeckter Freiraum die Gebäude. In diesem geschützten Innenhof am Garten mit altem Birnbaum und neuem Biotop verbinden sich alle Lebensbereiche. Als konstruktiver Sonnenschutz beschattet er die transparente Pfosten-Riegel-Wand im Süden, durch die man vom drei Meter hohen, fließenden Wohnraumgefüge ins Grüne blickt und die Wintersonne bis zur offenen, zweizeiligen Küche aus uralter, gebürsteter Esche fällt. Sie harmoniert wunderbar mit der Nirosta-Arbeitsfläche an der weinroten Wand. Erdwärme und Sonnenenergie sind optimal genutzt, alle Glas- Holz-Konstruktionen komplett wärmebrückenfrei, luft- und winddicht, dezent säumen Photovoltaik- Paneele das lamellenbeschattete Südfensterband der Schlafebene.

Auch Lehmputz, Ziegelzwischenwände, Estrich und die zentralen, massiven Lehmstampfmauern speichern Wärme. Die rauen Wände wirken als haltgebender Raumteiler. Im Westen verbreitet der integrierte Kamin Wärme, im Osten lehnt die Eckbank an der Lehmstampfwand, dazwischen führt die einläufige Massivholztreppe hoch. Geölter Bambusboden, Oregon, Eiche und Esche, biologische Kalkaseinfarbe, Komfortlüftung, Fußboden- und Wandheizung: Alles schafft Atmosphäre. (Isabella Marboe, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.1.2006)