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Foto: AP/JACQUES BRINON
Wenn Patti Smith heute eines ihrer Konzert unterbricht, um eindringlich und nicht ohne zorniges Pathos etwas "Poetry" vorzutragen, ist das für manche ein Grund die Bar aufzusuchen, weil schon auch etwas anstrengend. Einerseits. Andererseits ist es nur konsequent von der am 30. Dezember 1946 in Chicago geborenen Künstlerin. Immerhin hat sie schon vor ihrer Weltkarriere als Sängerin drei Bücher - Seventh Heaven (1971), kodak (1972) und WITT (1973) - veröffentlicht. Zudem widmete sich die damals mit dem Fotografen Robert Mapplethorpe zusammenlebende Smith der Malerei und Fotografie.

Unter diesem Eindruck verstand sie die New Yorker Punkbewegung, zu deren wesentlichen Protagonisten die in New Jersey Aufgewachsene Mitte der 70er-Jahre zählte, nicht als modisches Accessoire mit platten Slogans ("No Future!"), sondern als Vehikel der Avantgarde, das die Möglichkeit schuf, zur Zeit des Vietnamkriegs und des Watergate-Skandals adäquat Stellung zu beziehen - also eher mit "Fuck you!" als "Give peace a chance" zitiert wurde.

Ihr von John Cale produziertes Debütalbum Horses veröffentlichte Smith 1975. Das von Mapplethorpe fotografierte Cover zeigt eine junge Frau, die der damals gängigen Darstellung von Frauen im Pop so gar nicht entsprach: Androgyn, selbstbewusst und in kühlem Schwarz-Weiß gehalten, ummantelte es ein Werk, das heute als Proto-Punk-Klassiker gilt und im letzten Jahr in einer um eine 2005 beim Londoner Meltdown-Festival neu eingespielten Live-Fassung erweiterten Version zum 30. Jubiläum neu aufgelegt wurde. Mit "Because The Night" aus ihrem 1978er-Album Easter gelang Smith sogar ein Welthit. 1980 heiratete die Arthur Rimbaud und William Burroughs gleichermaßen verehrende Smith den Gitarristen der Detroiter Rockband MC5, Fred "Sonic" Smith, zog sich aus dem Popgeschäft zurück - und ihre beiden Kinder Jackson und Jesse groß.

Als 1994 ihr Bruder Todd und Fred Smith frühzeitig starben, kümmerte sich unter anderem Bob Dylan um die geschockte Künstlerin und half ihr wesentlich beim Wiedereinstieg ins Business. Seit damals veröffentlicht die mit R.E.M.-Sänger Michael Stipe befreundete und vom verschiedenen Kurt Cobain verehrte Sängerin regelmäßig Alben und tourt um die Welt.

Am Todestag ihres Vaters lernte die Wagner-Liebhaberin 2004 in Bayreuth den deutschen Theateraktionisten Christoph Schlingensief kennen, überreichte ihm aus Wertschätzung den von ihr getragenen Trauerflor und übernahm im Vorjahr in dessen in Namibia entstandenem Film The African Twin Towers eine Rolle. Jetzt setzt sie das "Abenteuer" fort: In Schlingensiefs Area 7 am Burgtheater ist die Punk-Godmother als Kunstfigur in einer begehbaren Installation zu erleben. (Karl Fluch, DER STANDARD, Print, 17.1.2006)