Wien - Scharfe Kritik der Opposition und reger Beifall der Regierungsparteien: Prompt folgte auf die Rede von Kanzler Wolfgang Schüssel im Europaparlament der "pawlowsche Reflex" in der österreichischen Innenpolitik.

Vor allem Schüssels Forderung nach der Einführung eigener EU-Steuern stieß bei der Opposition auf heftige Ablehnung: Mit den Vorschlägen werde die EU nicht finanzierbar sein, kritisierte SPÖ-Europasprecher Caspar Einem den Kanzler via Aussendung. Einem vermisste in der Rede Schüssels auch Vorschläge über die Zukunft der EU-Verfassung und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel sah es dagegen als Fortschritt an, dass der Kanzler in seiner Rede Wachstum und Beschäftigung als zentrales Anliegen der österreichischen EU-Präsidentschaft bezeichnete. Und BZÖ-Sprecher Uwe Scheuch war generell zufrieden mit dem Auftritt des Kanzlers. Ideengeber für Schüssels war laut Scheuch auch der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider. Durch die Forderung des Kanzlers nach einer Besteuerung von Finanzspekulationen sei die Idee von Haider bis ins EU-Parlament getragen worden, meinte Scheuch über die seit Jahren von der Antiglobalisierungsbewegung geforderte Besteuerung.

"Schüssel will den Eurokraten in Brüssel die Lizenz zum aussackeln ausstellen", sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Stattdessen sollten die Mitgliedsbeiträge der EU-Staaten gesenkt werden. "Mit seiner Rede vor dem Europaparlament in Brüssel (sic!) hat der Kanzler bewiesen, wie klar und kompetent er als Europapolitiker denkt und handelt", freute sich schließlich der außenpolitische Sprecher der ÖVP über die Rede des Kanzlers - die dieser allerdings in Straßburg hielt. (APA, red/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.10.2005)