Bild nicht mehr verfügbar.

Das "Ségolène-Phänomen" hat Frankreich erwischt: Die Sozialistin Ségolène Royal hier rechts im Bild mit der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet.
Foto: APA/EPA/de la Maza
Paris - Deutschland hat Angela Merkel, Chile Michelle Bachelet. Bekommen die FranzösInnen bald Ségolène Royal? Knapp ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl ist die Sozialistin der Liebling in den Umfragen. Eine Kandidatur könnte der 52-Jährigen allerdings häusliche Probleme bereiten, denn ihr Lebensgefährte und Vater ihrer vier Kinder ist der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, François Hollande, der selber mit einer Bewerbung für das höchste Staatsamt liebäugelt.

In Männerhand

Politik ist in Frankreich noch immer reine Männersache. Noch nie ist eine der großen Parteien in Frankreich mit einer Frau als Spitzenkandidatin in einen Präsidentschaftswahlkampf gezogen. Nur zwölf Prozent der Abgeordneten in der Nationalversammlung sind Frauen, im Deutschen Bundestag liegt die Quote bei 32 Prozent.

Aber gerade das könnte Royal zum Vorteil gereichen. Denn Frankreich ist auf der Suche nach frischen Ideen, vor allem nachdem die wochenlangen Unruhen in den Vorstädten Ende vergangenen Jahres die tiefen strukturellen Probleme offen legten. Ihre Popularität sei eine Botschaft der FranzösInnen, dass sie neue Persönlichkeiten wollten, "moderne Persönlichkeiten wie eine Frau in der Politik, die vier Kinder hat", sagte Bruno Jeanbart vom Meinungsforschungsinstitut CSA.

Beste Waffe der Linken

Unerschütterlich und mit einem entwaffnenden Lächeln kämpft die Abgeordnete und frühere Ministerin für Familienwerte, die eigentlich ein Terrain der Rechten sind. Viele FranzösInnen glauben, dass sie im Präsidentschaftswahlkampf die beste Waffe der Linken gegen den Law-and-Order-Innenminister Nicolas Sarkozy sein könnte. Noch ist unklar, ob das "Ségolène-Phänomen" von Dauer ist. Royal hat noch kein Wahlprogramm und hat keine Erfahrungen auf den wichtigen Gebieten der Wirtschafts- und Außenpolitik.

Laut einer CSA-Umfrage für die Zeitung "Le Parisien" wünschen sich 42 Prozent der FranzösInnen, dass die Präsidentin der südwestfranzösischen Region Poitou-Charente im nächsten Mai für die PS antritt. Abgeschlagen auf Platz zwei kommt Politrentner Lionel Jospin (24 Prozent), Royals Lebensgefährte, der etwas farblose Parteichef Hollande, landete mit nur zwölf Prozent auf dem fünften Platz. Das Paar versichert, es werde keinen Hauskrach um die Kandidatur geben. Wenn beide antreten wollen, werde die Mitgliederbefragung der Sozialisten im November entscheiden.

Sticheleien

"Ich werfe ihr doch nicht ihre Popularität vor, das wäre ja absurd", sagte Hollande. Eben diese Popularität aber macht inzwischen einige "Elefanten" der PS nervös. Der ehemalige Premierminister Laurent Fabius fragte unter Verweis auf die politischen Ambitionen beider Partner gehässig: "Und wer kümmert sich um die Kinder?" Der sozialistische Senator Jean-Luc Mélenchon stichelte, bei der Präsidentschaft der französischen Republik handele es sich schließlich nicht um einen Schönheitswettbewerb.

Sturm auf die Männerbastionen

Dabei waren es die Sozialisten, die 2000 ein Gesetz durchs Parlament brachten, das Frauen zur Teilnahme am politischen Leben ermuntern sollte und bei Wahlen eigentlich Geschlechterparität bei der Kandidatenaufstellung vorschreibt. Und es gibt weitere Zeichen, die darauf hindeuten, dass Frankreich reif sein könnte für eine "Madame la Présidente".

So hätten Frauen sich in mehreren Männerbastionen durchgesetzt, unterstreicht Royal-Biograf Daniel Bernard: Nicole Notat führte viele Jahre die Gewerkschaft CFDT, Laurence Parisot ist Vorsitzende des Arbeitgeberverbands MEDEF, Michèle Alliot-Marie stand an der Spitze der neogaullistischen RPR-Partei von Jacques Chirac, die mittlerweile in der UMP aufgegangen ist. Natürlich gebe es noch Ungleichheiten zwischen Mann und Frau in Frankreich, sagt Bernard, etwa beim Gehalt. "Aber ich glaube nicht, dass es heute ein Problem für Frankreich darstellt, eine Frau zu wählen."

Royal erhielt nach ihrem fulminanten Sieg bei der Regionalwahl 2004 den Spitznamen "Zapatera" - kurz zuvor hatte der spanische Sozialist José Rodriguez Zapatero überraschend bei der Parlamentswahl triumphiert. Sie nimmt den aktuellen Rummel um ihre Person gelassen. "Umfragen entscheiden keine Wahlen", sagte sie dem Fernsehsender France-2. Und Kritik an mangelnder wirtschaftlicher und internationaler Erfahrung kontert sie kühl mit dem Hinweis, heutzutage bestehe Regieren darin, sich mit den besten BeraterInnen zu umgeben.

Mit Ideen überrascht

Die Absolventin der Elitehochschule ENA hat als Umwelt- und Familienministerin Regierungserfahrung gesammelt. Sie kämpfte für den Schutz von Kindern und gegen Pornografie und Gewalt im Fernsehen. Bisweilen überrascht sie mit ihren Ideen. So schlug sie mit Blick auf die landesweiten Unruhen von Jugendlichen in den Vorstädten vor, zur allgemeinen Wehrpflicht zurückzukehren.

In diesem Monat gab sie der sozialistischen Familie einen Korb und fehlte bei den Feierlichkeiten zum zehnten Todestag des Expräsidenten François Mitterrand. Stattdessen unterstützte die einst von Mitterrand geförderte Politikerin lieber die chilenische Präsidentschaftskandidatin Bachelet im Wahlkampf. Bachelet wurde am Sonntag zur ersten Staatschefin des südamerikanischen Landes gewählt. (APA/Angela Doland/AP)