Der Künstler und die Muse, die sich immer wieder entzieht: US-Star John Malkovich als Gustav Klimt und Safforn Burrows als die mysteriöse Tänzerin Cléo de Mérode in Raoul Ruiz' "Klimt", ab März im Kino.

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US-Star John Malkovich ist demnächst als Gustav Klimt auf der Kinoleinwand zu sehen: "Klimt" breitet das Leben des Künstlers wie ein Spiegelkabinett aus, in dem sich Traum und Realität vermischen. Der renommierte Regisseur Raoul Ruiz im Gespräch über den Restitutionsfall, den Maler und seine Welt.


Wien - Die allegorischen Bilder rufen bei ihrer Präsentation sehr geteilte Reaktionen hervor. Der Kunstminister sagt nur, er sei sprachlos - in welchem Sinn er das meint, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Gustav Klimt, der die Bilder im Staatsauftrag malte, ist jedenfalls enttäuscht. In Paris auf der Weltausstellung gerade noch geehrt, gilt seine Kunst in seiner Heimatstadt Wien als dekadent. Er entscheidet sich, die Werke aus der Secession wieder in seinen Besitz zu bringen. Dummerweise wird er dabei fotografiert.

Eine ob der gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die fünf Bilder, die an Erben nach Bloch-Bauer restituiert werden, pikante Szene - ruft sie doch in Erinnerung, dass der Staat schon einmal weit weniger Interesse am Werk von Klimt aufgebracht hat. Die Episode findet sich in Klimt, einem neuen, von österreichischer Seite initiierten Spielfilm über den Maler, den der aus Chile stammende Regisseur Raoul Ruiz mit US-Star John Malkovich im Titelpart realisiert hat. Im Totenbett von Egon Schiele (Nikolai Kinski) besucht, fiebert Klimt darin nochmals durch Stationen seines Lebens: ein Kaleidoskop der Erinnerungen.

"Es ist ein Faktum, dass die Familie die Bilder erwarb und dass diese nun an sie zurückgehen. Und es ist ein anderes Faktum, dass die Bilder nach wie vor einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sein sollten." Ruiz, der zur Vorbereitung des Filmstarts (3. März) gerade in Wien weilt, beobachtet die Debatte um die Entscheidung des Schiedsgerichts mit der gelassenen Haltung eines Außenstehenden. Ihm ist aber klar, dass es für das "kulturelle Erdbeben" keine einfachen Lösungen gibt.

Sicherung der Kunst

Den einzigen Ausweg sieht er in einem Ankauf durch die österreichische Republik, denn "die Bilder gehören zu Österreich, dem österreichischen Volk." Ein solches Verfahren würde auch zur Sicherung des Werkes beitragen. Als Künstler ist Ruiz vor allem dieser Umstand wichtig: "Ich selbst habe einmal Briefe der Literaturnobelpreisträgerin Gabriela Mistral entdeckt. Da dachte ich zuerst, ich müsste sie an Chile zurückgeben. Da ich aber wusste, sie würden dort verschwinden, schien mir die Schweiz die bessere Option zu sein."

Ruiz' Zugang zu Klimt, den er als wandelbaren Eigenbrötler verehrt, ist im Film nur wenig an biografischen Eckdaten orientiert; er versucht sich dem Maler eher über stilistische Arabesken anzunähern. Klimt, von Malkovich nicht als unnahbares Genie, sondern als sehr diesseitiges Wesen verkörpert, durchläuft einen Parcours aus halb imaginären, halb realen Stationen: Neben der Pariser Weltausstellung und den Querelen in Wien stehen vor allem seine Beziehungen zu zwei Frauen im Mittelpunkt: zur Herzensfrau Emilie Flöge (Veronica Ferres) und der mysteriösen Cléo de Mérode (Saffron Burrows), die sich ihm gekonnt entzieht.

"Seine Art, die Welt zu sehen, war mir wichtig", meint Ruiz zu seiner Annäherung, "Wenn er fiebert, sieht er im Grunde lauter Hypothesen: Dinge, die passiert sein könnten oder auch nicht. Loos würde über den Film zwar sagen, er sei ein Verbrechen, weil er so ornamental geraten ist. Ich schätze Genres, noch mehr jedoch, ihre Elemente ständig zu mischen und zu verändern - ähnlich wie Martin Scorsese, der sich die Filme, die er als Kind gesehen hat, immer wieder ansieht und letztlich dann auch neu verfilmt."

Das Künstlerbild, das dabei modelliert wird, fügt sich dennoch geschmeidig in gängige und kommerziell gut verwertbare Betrachtungsweisen der Wiener Moderne ein. In den Kaffeehäusern wird eifrig (und mitunter sehr gestelzt) philosophiert. Das Leben Klimts als unsteter Zeitgenosse ist die Voraussetzung für sein Werk. Das Ineinandergreifen von Traum und Wirklichkeit bezeichnet seine kreative Unrast. Der gesellschaftspolitische Hintergrund tritt in dem dekorativen Reigen selten in Erscheinung. Klimts Entwendung seiner Werke bleibt eine Randepisode. (DER STANDARD, Printausgabe vom 21./22.1.2006)