Wien - Wenn eine Sängerin (Elisabetta Scano) kurz vor dem Konzert "ihre Stimme verliert" (Konzerthaus-Chef Christoph Lieben-Seutter), ist das zwar sehr bedauerlich - im Falle der Vivaldi-Oper Bajazet letztlich jedoch nicht weiter schlimm. Zwei Arien fallen bei der Resonanzen -Eröffnung zwar aus.

Es sind in diesem Pasticcio, das Antonio Vivaldi als einen Mix aus eigenen und von Kollegen wie Johann Adolf Hasse geborgten Ideen komponiert hat, jedoch noch ausreichend Teile vorhanden, um einen langen Abend zu ergeben. Dass er kaum Länge hatte, darf man Fabio Biondi positiv "anlasten". Geigend und als Dirigent mit ganzkörperlich animierendem Einsatz ist er um jedes Detail bemüht. Wie um ein Neugeborenes.

Er verfügt über einen vibratolosen, gläsernen Sound und lädt zugleich ein auf ein Abenteuer der delikaten Phrasierung. Und: Das Ensemble Europa Galante verfügt über die Möglichkeiten, all diese Ansinnen zwischen Drive und graziös ausgesungener Kanti- lene umzusetzen. Man erlebt eine Barockmaschine mit einem intelligenten Herzen.

An Herz fehlte es der Sängerriege keinesfalls, aber das Orchesterniveau kann sie dann letztlich doch nicht ganz erreichen - mit Ausnahme von Christian Senn (als Bajazet) allerdings.

Natürlich war alles sehr solide: Vivica Genaux als Irene vermittelte ihre Koloraturkunst, Manuela Custer (als Andronico) verfügt über eher bescheidene Tiefen, aber ihr Mezzo glänzt dann immerhin mit tragfähiger, voller Höhe. Und wenn eine Note nicht so gelingt, hilft eine ausufernde Theatralik, die auch einer szenischen Aufführung zur Ehre gereich hätte.

Außerdem bot sie durch zweimaligen Kleiderwechsel selbst Moderfreunden etwas zum Schmunzeln. Ordentlich auch Marina De Liso (als Asteria) und Wilke te Brummelstroete (als Tamerlano). (DER STANDARD, Printausgabe, 24.1.2006)