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Fritz Plasser

Foto: APA/BARBARA GINDL
STANDARD: Was steckt eigentlich hinter dem Streit um die Kärntner Ortstafeln?

Plasser: Das Verhalten Jörg Haiders ist selbstverständlich Teil eines taktischen Inszenierungs- und Eskalationskonzepts, hinter dem handfeste politische und strategische Gründe stehen. Der Ortstafelstreit passiert und eskaliert nicht zufällig.

STANDARD: Der handfeste Grund ist der Kampf des BZÖ um das Direktmandat im Regionalwahlkreis Kärnten-Ost?

Plasser: Im Kern ist es das Direktmandat, das ich trotz des Ortstafelstreits für äußerst unwahrscheinlich halte. Darüber hinaus geht es auch um das Ergebnis des BZÖ in Kärnten allgemein. Haiders Ziel ist es, ein katastrophales Ergebnis des BZÖ in seinem eigenen Bundesland zu vermeiden.

STANDARD: Sie sprechen von einem Eskalations-Szenario. Will Haider den politischen Super-GAU bewusst provozieren?

Plasser: Er schließt ihn nicht mehr aus. Jörg Haider ist die Zukunft des BZÖ völlig gleichgültig. Es geht nur noch um ihn. Ein inferiores Wahlergebnis in seinem Bundesland - in dem er auch noch nach 2006 Landeshauptmann sein wird - hinzunehmen und zwei Jahre als "lame duck" zu regieren, ist mit seiner Persönlichkeitsstruktur völlig unvorstellbar.

Aufgrund seines politischen Egos würde er ein vorzeitiges Ende mit Schrecken diesem langsamen Verschwinden vorziehen. So betrachtet ist es keine BZÖ-Strategie, sondern eine Haider-Strategie. Er hat noch einen Trumpf im Ärmel: Den Ortstafelstreit. Entweder die momentane Situation bleibt bis zum Wahltag so ungeklärt und offen und wird Haiders zentrales Wahlkampfthema.

Oder es kommt zu weiteren Eskalationen - wenn Haider beispielsweise tatsächlich beginnt, provokant die Ortstafeln jeweils um einen halben Meter zu versetzen. Dann wird sich auch der Bundeskanzler anders positionieren müssen. Was dann passiert, kann niemand prognostizieren.

STANDARD: Wie beurteilen Sie das zurückhaltende Verhalten der Volkspartei?

Plasser: Not amused und sogar angewidert bleibt der ÖVP nichts anderes übrig, als sich zurückzuhalten. Sie erkennt, dass der Bestand der Koalition noch vor ihrer Zeit auf dem Spiel steht. Sollte das Ortstafelproblem allerdings noch Weiterungen haben, würde irgendwann der Punkt kommen, an dem sich ein amtierender Bundeskanzler bei Weitem deutlicher äußern müsste.

STANDARD: SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hat mit seinen harten Angriffen gegen Haider aufhorchen lassen. Die Kärntner SP-Vorsitzende Schaunigg hält sich hingegen relativ zurück. Wieso ist die Kärntner SPÖ vorsichtiger?

Plasser: Haider ist es gelungen, seine Kärntner Konkurrenten in eine ratlose Zuseherposition zu verweisen. Schaunigg weiß, dass von vielen Wählern in SPÖ-Gemeinden die Position von Haider geteilt wird. Wenn sie sich hier sehr eindeutig gegen Haider positionieren würde, könnten ernste Führungs- und Autoritätsprobleme in ihrer Landespartei folgen.

STANDARD: Eine bewusste Rollenverteilung?

Plasser: Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Sozialdemokratie versucht, sich bundesweit gegen Haider zu positionieren, während aus der SPÖ-Kärnten zwar kein Applaus, aber erkennbar moderatere Töne für Haider gewählt werden.

STANDARD: Die Strache-FPÖ scheint Mühe zu haben, sich in dieser Situation zu positionieren. Andreas Mölzer überraschte letzte Woche mit der Forderung nach der Aufstellung von mehr zweisprachigen Ortstafeln ...

Plasser: Haider hat in Kärnten die Mobilisierungsführerschaft übernommen. Es wird der Strache-FPÖ in Kärnten sehr schwer fallen, gleichwertiges an Mobilisierung aufzubauen. Mit den Ortstafeln hat man die oberste Mobilisierungs- und Emotionalisierungsebene in Kärnten betreten. Die FPÖ ist sozusagen in einem taktischen Limbo. Es wird nicht mehr möglich sein, auf diesen abgefahrenen Zug aufzuspringen und davon zu profitieren. Die Themenführerschaft und den Themenbesitz hat Haider. (DER STANDARD, Print, 25.1.2006)