Mozart über den Wolken oder gar aus allen Wolken fallend?

Foto: STANDARD/Matthias Cremer
Ganze 250 Jahre musste sich das offizielle Österreich bis zum heutigen Freitag gedulden, an dem unser großer Wolfgang Amadeus Mozart endlich zu festlicher Jubiläumstauglichkeit heranreift.

Und dieser Freitag sollte ein ganz besonderer werden. Sollte sich dieses klingende Mozartgedenken nach dem Willen unserer rot-weiß-roten EU-Vorsitzer zu einem wahren Sound of Europe weiten und unseren ganzen, guten, altgedienten Kontinent beschallen.

Zu diesem Zweck hat man in Salzburg, der Geburtsstadt des Meisters, alles, was in Europa wohl Rang, aber vielleicht nicht immer auch schon einen Namen hat, zusammengetrommelt, in der Hoffnung, dass unter dem Eindruck von Mozarts musikalischen Einfällen ihnen vielleicht auch was einfallen könnte.

Wie man aber weiß, steckt der Teufel immer im Detail. In diesem Fall lustigerweise in einem Salzfass. Obwohl selbiges ganz leer ist, dürfte es dem einen oder dem anderen die nun heftigst losbrechende Festesfreude doch ein wenig versalzen.

Denn so laut und so schwungvoll die Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti am heutigen Abend auch aufspielen mögen, so werden sie das homerische Gelächter über die Rückkehr der Saliera und vor allem über den Hergang ihrer Entwendung wohl kaum übertönen können.

Dieses helle Lachen ist im Grund zum eigentlichen Sound of Europe geworden. Das homerische Gelächter über eine Kunstschrulle, wie sie Fritz von Herzmanovsky-Orlando sich nicht skurriler hätte ausdenken können.

Die viel gesuchte und viel beschworene österreichische Identität ließe sich nicht klarer, nicht glaub-und auch nicht liebenswürdiger darstellen als durch das wechselvolle Schicksal dieses Salzfasses.

Vielleicht waren die Organisatoren dieses gegenwärtigen polit-musikalischen Mozartevents nur nicht geistesgegenwärtig genug, vielleicht wurden sie auch nur von den zurzeit herrschenden grimmigen Außentemperaturen davon abgehalten:

Jedenfalls hätte eine Exkursion in den Wald bei Zwettl zur denkwürdigen Stelle, an der unser kostbares Salzfass vergraben war, für die in Salzburg versammelte EU-Prominenz ganz sicher eine aufs angenehmste überraschende protokollarische Abwechslung dargestellt.

Und wäre es unserem 250-jährigem Jubilar vergönnt gewesen, Zeuge dieser süßen Posse zu werden, er wäre vor Freude über sie ganz bestimmt ausgeflippt.

Angesichts der 300 Polizisten, die sich gegenwärtig zum Schutz der hochmögenden Politgäste in seiner Geburtsstadt tummeln, hätte er seinem Bäschen vielleicht eine hübsche Depesche geschickt, in der er mit deftigen Vokabeln feststellt, dass sich bei uns wenigstens notable Gäste sicher bewacht wähnen dürfen, ganz im Gegensatz zu unseren musealen Kunstschätzen.

Über die Bewachung der letzteren zeigte sich ein Sicherheitsexperte, den man wie zu Fleiß am Vorabend des heutigen Jubeltages durch die wichtigsten Wiener Museen führte, schlicht und einfach erschüttert. Und er meinte, gerade in jenem Institut, in dem sich die Saliera zum Raub anbot, habe "man seither nichts dazugelernt".

Spätestens da wäre unser Wolfgang Amadée, wäre er noch am Leben, mit den sozialen Errungenschaften unserer Gegenwart sicher ganz zufrieden gewesen. Es wäre ihm nämlich gewiss Karl Joseph Graf Arco eingefallen, der am Hof des Salzburger Fürsterzbischofs Colloredo das Amt des Oberstküchenmeisters innehatte.

Dieser hatte Mozart als Dienstnehmer am Hof des Erzbischofs nämlich in das Haus-, Hof- und Küchenpersonal eingereiht. Und dies obendrein auch noch nach seinem ersten wirklich großen Opernerfolg, den er mit der Münchner Uraufführung des Idomeneo erzielte.

Als Mozart gegen diese kränkende Einschätzung seiner Arbeit und seiner Person protestierte, wurde er vom erzürnten Grafen mittels eines kräftigen Fußtrittes aus dem erzbischöflichen Dienst entlassen.

Wie schön, dass es derlei barbarische Bräuche heutzutage glücklicherweise nicht mehr gibt. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2006)