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Locken-, aber nach wie vor nicht zweifelsfrei: der im Mozarteum lagernde Knochenrest, der vom ORF dringend verdächtigt wird, auf Amadeus' Schultern geruht zu haben.

Foto: APA/Franz Neumayr

Der Musikwissenschafter lässt in einem Brief an die Filmgestalterin kein gutes Haar an der angeblichen "Wahrheit über den Mozart-Schädel".

Sehr geehrte Frau Doktor Czeitschner! Erlauben Sie mir als Wissenschafter einige Bemerkungen über Ihren Fernsehfilm zur "Identifikation" des Mozart-Schädels. Die Spannung war ja nicht nur seit ein paar Tagen dahin, nachdem Dr. Parson der Tiroler Tageszeitung das Ergebnis verraten hatte, ich hätte Ihnen schon vor Beginn der ganzen geldverschwendenden Grabungsaktion sagen können, dass dieser Schädel mit Mozart nichts zu tun hat.

Hätte ich nicht Dr. Kovacsovics auf die Tatsache hingewiesen, dass Leopold Mozart in der Kommunalgruft von St. Sebastian beigesetzt wurde, hätte man wohl noch geglaubt, dessen Überreste ebenfalls exhumiert zu haben. Angesichts der so schlechten Grundlagenforschung bei der Vorbereitung der Exhumierung und dem Medientheater, dem man den Schädel eines Unschuldigen ausgesetzt hat, würde es mich wirklich nicht wundern, wenn nun in der Presse Rücktrittsforderungen an den Vorstand der Stiftung Mozarteum (ISM) laut würden. Jeder Beamte im Konsistorialarchiv hätte den beteiligten Forschern sagen können, dass es im 18. Jahrhundert keine Familiengräber im heutigen Sinn gab und dass das Mozart- Grab mit allen von der ISM angebrachten Tafeln eine künstliche Gedenkstätte ist. Johann Evangelist Engl war ein enthusiastischer Amateurforscher. Er öffnete das präsumtive Mozart-Grab und erklärte die gefundenen Gebeine einfach zur "Familie Mozart".

Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass Volkmar Braunbehrens, den Sie als "wissenschaftlichen Berater" nennen, für all den Lachkrampf erregenden Unsinn, der in der Sendung präsentiert wurde, verantwortlich sein sollte. Die alte Geschichte vom "Totengräber Rothmayer, der den Schädel gerettet hat" sollte man doch nicht mehr auf die Öffentlichkeit loslassen, nachdem sie schon 1934(!) von Gustav Gugitz ("Die Frage um Mozarts Schädel und Dr. Gall", Zeitschrift für Musikwissenschaft, Leipzig 16, Jg, 1934, S 32-39) als kompletter Unsinn entlarvt wurde.

"Völlig absurd"

Zitat Gugitz: "Ebenso viele Unwahrheiten, wie in der erweiterten mühseligen Erzählung über die Exhumierung des Schädels! (...) Diesen Behauptungen, ebenso vielen Märchen, wollen wir entgegentreten. Niemals konnte es Joseph Rothmayer sein, der sich nach Angabe des Zettels die Stelle merkte, wo er Mozarts Sarg einscharrte, denn der Totengräber am St. Marxer Friedhof, der Mozarts sterbliche Überreste am 6. Dezember (sic!) übernahm, hieß Simon Preuschl."

Der Zettel auf dem angeblichen Mozart-Schädel ist ein Teil jener ungeschickten Fälschung, die der Anatom Hyrtl inszenierte, um das Cranium im Jahr 1874 um 300 Dollar den Amerikanern unterzujubeln. Dieser Verkauf kam jedoch nicht zustande.

Den Unterkiefer hatte Hyrtl wohl entfernt, um die Identifizierung des Geschlechts zu erschweren. Ob der falsche Mozart-Schädel männlich oder weiblich ist, erfuhr man von Dr. Parson leider nicht.

"Mozart durfte als Ausländer in Wien keine Wohnung kaufen." Woher stammt diese Absurdität? Erstens gab es im 18. Jahrhundert keine Eigentumswohnungen, und zweitens durfte in Wien von jedem Ausländer jede Realität erworben werden, solange er nur gute Silbergulden auf den Tisch legte.

Als Wissenschafter, der seit Jahren im Stadt- und Landesarchiv mit den Wiener Grundbüchern arbeitet, und dem daher viele ausländische Hausbesitzer im Wien der Mozart- Zeit bekannt sind, kann ich über so eine Aussage nur herzlich lachen. Von allen angeblich "profiliertesten Mozart- Fachleuten", die so genau wissen, wie viel Geld Mozart hatte und wie er es wo verjubelte, habe ich noch keinen einzigen in einem Wiener Archiv gesehen!

Und schlussendlich: Zu einem genetischen Vergleich mit dem Schädel benutzte man zwei Haarproben aus dem Besitz der ISM. Nur sind die Proben aus dem Besitz von Baronin Cavalcabó dubios, denn es kann sich ebenso um das Haar ihres Geliebten, also Mozarts Sohn Franz Xaver Mozart handeln. Es gibt zwölf verschiedene Haarproben Mozarts.

Warum investiert man so viel Geld in eine wissenschaftliche Untersuchung und gibt sich dann durch die Nichtbeachtung von Vergleichsmaterial solche methodologischen Blößen?

Die immer dichter hagelnden Mozart-Kuriositäten haben sich zu Beginn des Mozartjahres auf einem Höhepunkt präsentiert. Ich hege die starke Befürchtung, dass wir 2006 noch manches zu ertragen haben werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.1.2006)