Paul S. Aufrichtig ist auf Österreich nicht gut zu sprechen. Der 75-jährige Anwalt widmet sich lieber seinem Beruf, den er bereits seit mehr als 50 Jahren in den USA ausübt. In Österreich wurde ihm nach zwei Jahren Volksschule jeder weitere Schulbesuch verweigert. Dabei war Wien jahrzehntelang die Heimat seiner Familie. Die Großeltern waren Besitzer des Bekleidungsgeschäfts "Adolf Aufrichtig und Bruder" in der Judengasse, im ersten Bezirk. Der Vater war Direktor der Merkurbank, der späteren Länderbank. Doch verlor er die Stellung gleich nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich. Österreich musste er mit seiner Familie im Juli 1938 Richtung Prag verlassen, um dort auf ein Affidavit, eine Bürgschaft, zu warten - damals die Voraussetzung für ein Visum in die USA, selbst unter den Bedingungen des Naziterrors. Via Rotterdam flüchtet Paul Aufrichtig mit seinen Eltern nach New York. Den Rest der Familie hat es über die ganze Welt verstreut - so fanden Verwandte etwa in Argentinien und Australien Zuflucht. Mit seiner Frau spricht Paul Aufrichtig nur sporadisch Deutsch. Er bezeichnet sich selbst als religiös und besucht auch regelmäßig eine orthodoxe Synagoge in New York.

Paul Aufrichtig war zu jung, um sich selbst an antisemitische Vorfälle in Wien erinnern zu können. Aber als ihn Jahre später eine Geschäftsreise wieder in seine Geburtsstadt führte, schien noch alles beim Alten zu sein: Sein Urteil über Österreich fällt weiterhin vernichtend aus.

STANDARD: Worum geht es Ihnen in Ihrer individuellen Entschädigungsforderung an Österreich?

Paul S. Aufrichtig: Meine Forderungen an den Fonds sind die folgenden: Entschädigung für unterbrochene Ausbildung, Entschädigung für die Wohnung, Aktien, ein Bankkonto - und andere Dinge, an die ich mich im Detail jetzt nicht er- innere.

STANDARD: Seit wann bemühen Sie sich um Entschädigung? Wann begann dieser Prozess?

Aufrichtig: Das geht schon eine ganze Weile. Ich kann nicht genau sagen, wann es begonnen hat. Ich bemühe mich jedenfalls schon seit vielen Jahren um eine Entschädigung.

STANDARD: Ist die Entschädigung eine Wiedergutmachung, also ein auch persönlicher Schlussstrich für Sie?

Aufrichtig: Nach so vielen Jahren bekomme ich ein paar Pennys. Der Geldbetrag, der mir zugesprochen wurde, steht in keinem Verhältnis zu dem Wert an Dingen, die wir verloren haben. Was soll ich noch mehr zu dem ganzen Thema sagen? Mir ist die Zeit dafür eigentlich zu schade, ich habe wirklich genug zu tun. Ich sehe darin für mich keinerlei Sinn. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2006)