Ursula Stenzel kann es nicht lassen: Nach gerade 40 Tagen im Amt der Bezirksvorsteherin des ersten Wiener Gemeindebezirks ist kaum eine Woche vergangen, in der ihre Vorstellungen nicht für Irritationen, einiges Unverständnis in allen Fraktionen sowie Notbremsmanöver ihrer eigenen (Volks-)Partei gesorgt haben. Stenzels vorschnelle Ankündigungen, die historische Innenstadt von Straßenkünstlern, Fiakern und öffentlichen Veranstaltungen, also von jeglichem Leben, das eine City ausmacht, zu befreien, muteten ebenso weltfremd an wie ihre Pläne, Tourismusmagneten wie den Silvesterpfad abzuschaffen oder die Innere Stadt für Reisebusse zu sperren - womit sie sich die VP-Führung der Wiener Wirtschaftskammer nicht gerade zum Freund machte.

Ihr jüngster Streich ist das Ansinnen, das umstrittene Wahlkampfthema City-Maut wieder aufzuwärmen - was Landesparteiobmann Johannes Hahn neuerlich in die Bredouille brachte. Er sah sich genötigt, sich umgehend von dem Vorschlag zu distanzieren. Denn Stenzel droht mit ihrer Law-and-Order-Politik nicht zuletzt "Gio" Hahns Bemühen zu untergraben, seine Stadtpartei als urban-liberales Sammelbecken zu positionieren.

Als EU-Parlamentarierin und TV-Moderatorin muss sich Stenzel noch daran gewöhnen, vom polyglotten Europaparkett auf dem oft harten Bezirkspflaster zu landen, auf dem der Handlungsspielraum schnell an die Grenzen der roten Stadtregierung stößt. Da hilft auch ihr Anspruch nicht, sich mit Forderungen nach Nachtfahr- und Alkoholverboten als bürgernahe Tabubrecherin zu inszenieren. Es ist außerdem zu bezweifeln, ob die bürgerlich-elitären Werte ihrer Wähler, die Stenzel zu einem unerwarteten Erfolg verhalfen, mit den vielfältigeren Ansprüchen an das Herz einer Weltstadt in Einklang zu bringen sind. (Karin Krichmayr, DER STANDARD - Printausgabe, 31. Jänner 2006)