Plenarsaal-Utopie von "propeller z": niederschwellig, transparent, effizient, pragmatisch, demokratisch, flexibel, vernetzt, barrierefrei, lichtdurchflutet.

Fotomontage: propeller z

Bild nicht mehr verfügbar.

Grafik: Der STANDARD/Foto Reuters
Die Vorbereitungen für den Umbau des Plenarsaals im Parlament laufen auf Hochtouren. Hinter den Kulissen wird heftig debattiert, ob die Nachkriegsästhetik denkmalwürdig oder unzeitgemäß ist - und ob eine Sitzordnung, bei der die Regierung dem Redner "im Nacken sitzt", ideal ist.

* * *

Wien - Für Detlev Neudeck war die Entscheidung ein Leichtes: "Ich habe für den Sessel gestimmt, auf dem ich am bequemsten gesessen bin."

Der FP-Finanzsprecher war einer der Ersten, die die Sitzprototypen für den neuen Parlamentsplenarsaal testen konnten. Denn Neudeck ist Mitglied jener Arbeitsgruppe, die sich unter Vorsitz der Zweiten Nationalratspräsidentin, Barbara Prammer (SP), mit den Details für den Umbau der denkmalgeschützten 50er-Jahre-Architektur beschäftigt.

Die Ausgangssituation ist knifflig: Die rückenschmerzengeplagten Abgeordneten verlangen nach bequemeren Sitzen, die wachsende Laptop-Fraktion nach breiteren Pulten, längst überfällig sind barrierefreie Zutrittsmöglichkeiten, eine neue Lüftung und besseres Licht.

Politsymbolik

Diskutiert werden aber auch Fragen, die großen politsymbolischen Wert haben. Soll die Regierung etwa weiterhin hinter dem Rednerpult sitzen, sodass sich Abgeordnete, wenn sie Einwände eines Ministers spontan kommentieren wollen, verrenken und vom Mikrofon wegdrehen müssen?

Diese Situation ist in Europa einmalig, wie ein vom Parlament durchgeführter Vergleich zeigt. Im Regelfall spricht der Parlamentarier zwar vor dem Vorsitz, aber mit Blick auf die Regierung, die entweder in den ersten Reihen des Halbrunds oder links oder rechts davon sitzt (s. Grafik).

Die strenge österreichische Sitzordnung geht auf den kaiserlichen Reichsrat zurück und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der großen Koalition übernommen. "Damals wurden Reden ja noch im Koalitionsausschuss vorbereitet und dann bloß verlesen", meint der Zeithistoriker Manfried Rauchensteiner. Dass Abgeordnete einen Minister auch einmal direkt angreifen wollen, konnten sich die Gründungsväter der Republik wohl nicht vorstellen.

"Weltkulturerbe"

Für die Abgeordneten ist diese Frage aber causa prima, wie eine Umfrage der Parlamentsdirektion ergab. In diesem Punkt scheint es auch Konsens zwischen allen Fraktionen zu geben - einen der wenigen. Denn während sich etwa Prammer einen großzügigen Umbau vorstellen kann, steht Nationalratspräsident Andreas Khol auf der Bremse: Der Saal, der neben dem Wiener Gänsehäuflbad im Unesco-Weltkulturbuch erwähnt wird, müsse "für einen kunst-und kultursinnigen Menschen ein absolutes Tabu für umfangreiche Änderungen bedeuten". Prammer sieht das nicht ganz so streng: "Mein Wunsch ist, ein Spiegelbild des modernen Eingangsbereichs zu schaffen." Selbstverständlich "ohne darauf zu vergessen, was in der Vergangenheit war".

Auch bei den Anforderungen des neu gestalteten Saals scheiden sich die Geister: Während Khol dezidiert ablehnt, eine elektronische Abstimmungsmöglichkeit für die Zukunft mitzubedenken, will Prammer bereits "darauf vorbereitet sein", also die technischen Voraussetzungen schaffen. Derzeit werkt man gemeinsam an einem Raumanforderungskonzept, das den via Wettbewerb zu ermittelnden Architekten als Richtschnur dienen soll. Es wird wohl ein eher starres Korsett werden.

Kein Neubau

Für richtig revolutionäre Ideen scheint jedenfalls kein Platz zu sein. Die Idee eines Neubaus im Park neben dem Parlament wurde bereits von hochoffizieller Seite abgewürgt. Und auch der schwebende, gläserne Plenarsaal der jungen Architektengruppe "propeller z", die sich auf STANDARD-Anfrage den Kopf über einen neuen Raum für politische Debattenkultur zerbrach, wird wohl Vision bleiben.

Kriso Leinfellner von "propeller z" bedauert das. Denn "wie auch immer man zu Klassizismus und Nachkriegsmoderne steht - es ist schlicht unmöglich, den heutigen, komplexen Anforderungen an einen derartigen Saal ohne radikale Eingriffe in den Bestand gerecht zu werden." (DER STANDARD, Printausgabe 2.2.2006)