Foto: Katrin Feßler

Die Wertung der Jury im Detail auf protestsongcontest.at (blinkt oben rechts!)

Grafik: Rabenhof
Wien - "Solche Energie verbreiteten zuletzt die White Stripes, als sie bei Harald Schmidt zu Gast waren", bemerkte Peter Paul Skrepek völlig baff. Auch die anderen Jury-Mitglieder beim Finale des Protest Song Contestes 2006 waren von der "ekstatischen Performance" Jörg Zemmers (Bandname 'Jörg Zemmler') ganz gefangen. Aus dem elektronischen hämmernden Sound auf CD wurde live eine anarchistisch angehauchte Punk-Rock Version in langen Unterhosen, die das verdatterte Publikum ganz langsam aufköchelte.

Trash…

Mit dieser Garmethode setzte sich der Südtiroler im restlos ausverkauften Wiener Rabenhof Theater mit nur einem Punkt Vorsprung gegen drei Frauen durch: Aurelie Maronif entschieden sich für subversiven Protest mit französischem Akzent und Lidschlag und fuhren damit erstaunlich gut. Die "lustvolle Seite der Rebellion", so Barbara Rett, wurde für "süß" befunden und Electric Indigo bekrittelte nur, dass sie das "La-la-la" auf CD charmanter, weil unperfekter fand. Moderator Dirk Stermann daraufhin trocken: "Das hören Musiker gern. 'Du warst zu gut'".

…Perfektion…

Dass perfekte Form nicht immer gegen den Inhalt des Protests spricht, bewiesen laut Doris Knecht Hörspielcrew feat. Garish mit "Vermögn". Der am Sonntag ungewöhnlich stumme Martin Blumenau attestierte dem Song über Verschwendung den "Gänsehautfaktor". Doch trotz vieler Lobesworte schafften es die Burgenländer mit ihrer ruhigen, eindringlichen Hip-Hop-Nummer nur auf Platz Drei. Beim Protest Song Contest haben aber noch nie die Musikprofis gewonnen, wenn ihnen auch sonst stets Platz Zwei vergönnt war.

…Können...

Generell war am Sonntag jenen, die ihre Instrumente vortrefflich zu spielen verstanden, Fortuna nicht gerade hold: Bei den "Phoneten" schwärmte Juror Skrepek von der Feinheit der Snare und dem "noch nie so schönen" Bass-Solo. Bei ihm rangierten die Kärntner auf Platz Zwei. Seine Punktewertung blieb jedoch die einzige und verhalf der leisen, subtilen "Amerika"-Kritik damit nur auf den letzten Platz. Dort, wo ex aequo die Wienerlied-Vertreter Remasuri, ein Ottakringer Wirt samt instrumentierfreudigem Stammpublikum, mit ihrem Protest gegen die österreichische Befindlichkeit und d'vision mit "Nackert auf'm Schwedenplatz" landeten. Ein "frischer Protest zum heiklen Thema" Videoüberwachung, so DJ Electric Indigo. Knecht hingegen verdrehte entnervt die Augen, als sie die "vorhersehbare" Performance einer textillosen Dame auf der Bühne kommentierte.

…Sinnlichkeit…

"Für Humor und Sinnlichkeit im Contest sind wohl die Frauen zuständig", bemerkte Rett. Just in diesem Moment tauchte Jörg Zemmers Hinterteil in der langen Untergattinger auf der Bühne auf, gefolgt von einem hysterischen Mädchenkreischen aus dem Publikum, und Retts gerade noch so treffende Aussage wurde mit Lügen gestraft. – Mit einem Augenzwinkern erklärte die am Sonntag viele Sympathien gewinnende ORF-Kulturlady und einstige Arena-Besetzerin (!) über den Sieger Zemmer: "'Wir sind die Kleinen'" hielt ich zunächst für eine Parodie auf Österreich: 'Wir machen was wir wollen,' sei es beim vergangenen Gedankenjahr oder dem Ortstafelstreit."

…Ermutigung

Das war nicht das einzige Missverständnis, mit dem der 30-jährige Politologe Zemmer zu kämpfen hatte (und hat). Der Redaktion kam zu Ohren, dass einige Besucher nach seiner Kür wutentbrannt das Gemeindebautheater verließen. Sie verstanden "Wir sind die Kleinen" als eine Variante auf Grönemeyers "Kinder an die Macht". Dabei übersahen sie leider, dass es vielmehr eine Abwandlung des eingangs traditionsgemäß vom Arbeiterchor vorgebrachten "Arbeiter von Wien" war: Eine Ermutigung all jener, die nicht an den Schalthebeln der Macht sitzen, deren Stimme oft genug nicht gehört oder ignoriert wird. "Es geht darum, aufzustehen und sich zu trauen etwas zu sagen", erklärte Zemmer, der auch das Spiel der Blockflöte, des Flügelhorns und der klassischen Gitarre beherrscht. Ihm ist sogar zuzutrauen, dass er kommendes Jahr, wenn er den Song im Rahmen des vierten Protest Song Contests noch mal zum Besten geben wird, auch eine HipHop- und Pop-Version des Siegerlieds vorbereitet hat. (kafe)

Die weiteren Plätze

Platz 4: Börn: Bleib du mit dir
Platz 5: Ganshaut: Seemann
Platz 6: Seelenwärmer: Globalisierungskinder
Platz 7: Peter Kastner: Klo aufm Gang
Platz 8: Phoneten: Amerika
Platz 8: Remasuri: the Austrian way (of singin´ the blues)
Platz 8: d'vision: Nackert auf´m Schwedenplatz
(Kein neunter und zehnter Platz wegen Punktegleichstand)

Die derStandard.at-UserInnen entschieden anders: Sie sahen Remasuri auf Platz Eins, gefolgt von Börn und Seelenwärmer. >>>Zur Umfrage