Den lästigen Kopfläusen auf der Spur: Nach der Erstkontrolle geht's zur Schädlingsbekämpfung mit anschließendem Auskämmen der Nissen. Tausende Lausopfer nutzen jährlich das spezielle Angebot der Wiener Desinfektionsanstalt.

Foto: Hendrich
Wien - Ganz wohl ist den zwei kleinen Mädchen nicht in ihrer (Kopf-)Haut, während sie auf den beiden blitzblauen Plastiksesseln in der Mitte des verfliesten Raumes sitzen. Dann lassen sie aber ohne einen Mucks den ersten Teil der Entlausungsprozedur über sich ergehen, der darin besteht, das Haar mit einem Flüssigpräparat einzusprühen. Als sie auf die an den Wänden angeordneten leuchtgelben Stühle wechseln, wo sie die halbstündige Einwirkzeit abwarten müssen, wirken sie schon viel erleichterter.

"Viele Eltern kommen zu uns, weil die Kinder Respekt vor den weißen Mänteln haben und weniger quengeln," glaubt Andreas Flaschner, Leiter der Desinfektionsanstalt in der Hüttenbrennergasse in Wien-Landstraße. Aber auch ganze Schulklassen und Kindergartengruppen nutzen das Angebot, um eine Kopflaus-Epidemie möglichst schnell unter Kontrolle zu bekommen.

Steigende Kundenzahl

Jährlich verzeichnet Österreichs einzige derartige Einrichtung 7000 bis 8000 Kunden, Tendenz steigend. "Es ist aber nicht der Befall gestiegen, sondern das Bewusstsein der Bevölkerung," betont Flaschner. Im Herbst und im Winter haben die rund drei Millimeter großen Quälgeister Hochsaison - zu verlockend ist es unter wohlig warmen Hauben und Mänteln, wo es sich die Läuse gemütlich machen, um im Haar ihrer Wirte Eier zu legen und sich an ihrem Blut zu laben. Kinder sind deswegen beliebte Opfer, weil sie beim Spielen die Köpfe zusammenstecken, ihre Kuscheltiere teilen und damit den Blutsaugern ideale Bedingungen für eine Wanderung von Schopf zu Schopf bieten. Denn springen können die sechsbeinigen Kriechtiere nicht.

"Naturmittel"

Verschiedenste "Naturmittel", wie eine Mayonnaise-Salbung, wären bei richtiger Anwendung und in Kombination mit viel Geduld ebenso gut, bestätigt Flaschner. Die "chemische Keule" - ein handelsübliches Schädlingsbekämpfungsmittel - sei jedoch mit Sicherheit wirksam. Nach dem Einwirken werden die Haare ausgewaschen und mit einem fein gezinkten Spezialkamm von den Nissen befreit, eine Bestätigung inklusive.

Schwangere, Stillende, Menschen mit Hautkrankheiten und Kinder unter drei Jahren werden jedoch nicht behandelt, keine Garantie auf Lausfreiheit gibt es für Träger von Dreadlocks und Rastazöpfen. Und natürlich müssen Bürsten, Bekleidung, Bettwäsche, Handtücher und Plüschtiere entsorgt oder in der Tiefkühltruhe verstaut werden, damit den hitze- und kälteempfindlichen Tierchen der Garaus gemacht wird.

Lange Geschichte Woher die Kopfläuse kommen? "Mit Hygiene hat das wenig zu tun," räumt eine Mitarbeiterin mit einem Vorurteil auf. "Es hat sie schon immer gegeben." Die alten Ägypter litten darunter; auch die Inuit zogen sich die Nissen gegenseitig aus den Haaren, wie Skulpturen bezeugen.

Eine lange Geschichte hat auch die 1908 erbaute Desinfektionsanstalt, unweit des Arsenals. 1945, als Kopfläuse noch Krankheitserreger übertragen konnten, wurden die Kriegsheimkehrer am nahe gelegenen Südbahnhof mit DDT-Spritzen empfangen, 1992 war das alte Gemäuer erste Anlaufstelle für Flüchtlinge aus dem Balkankrieg. Heute werden neben Entlausungen vor allem behördliche Desinfektionen und Totenbeschauen durchgeführt. Man ist auf weitere Katastrophen vorbereitet: Im Falle eines radioaktiven Strahlenunfalls kann die Anlage innerhalb von 45 Minuten in eine Dekontaminations-Zentrale umgewandelt werden. (Karin Krichmayr, DER STANDARD-Printausgabe 14.02.2006)