Architekt Markus Spiegelfeld, Mediziner Siegfried Meryn

Foto: Spiegelfeld/Pandjaitan
Menschen werden heutzutage meist erst in hohem Alter pflegebedürftig. Die gute medizinische Versorgung und die gestiegene Eigenverantwortung führen dazu, dass Senioren länger in ihrer gewohnten Umgebung verbringen können, sofern die Wohnung den Bedürfnissen des älteren Menschen entspricht. So lautete der Tenor einer Experten-Diskussion mit Sozialministerin Ursula Haubner (BZÖ), dem bekannten Mediziner Siegfried Meryn, dem Architekten Markus Spiegelfeld und Humanocare-Geschäftsführer Peter Gohm auf Einladung von Georg Spiegelfeld ( Spiegelfeld Immobilien ).

Down-Aging

"Seit einigen Jahren ist der Trend zum Down-Aging feststellbar. Der heute 60-jährige fühlt sich jünger und aktiver als die 60-Jährigen früherer Jahre. Deshalb muss sich die Wohnung von morgen diesen veränderten Bedürfnissen anpassen", erläuterte Meryn.

Ältere Menschen unterscheiden sich stark in Bezug auf den Grad ihrer Pflegebedürftigkeit, die Umgebung müsse daher maßgeschneidert sein, so Meryn. "Die Industrie reagiert bereits darauf und produziert etwa Fernbedienungen oder Mobiltelefone mit großen Tasten. Es gibt nicht nur die Generation 50+, sondern auch die Gruppe der Über-80-Jährigen, die heutzutage nicht nur pflegebedürftig, sondern sehr wohl auch lebens- und unternehmungslustig sind."

Studien über die Lebensweise von Über-100-Jährigen in Massachusetts (USA) hätten ergeben, dass besonders zwei Faktoren für die Erreichung eines hohen Alters ausschlaggebend seien: "Ein sehr bewusster Umgang mit der eigenen Gesundheit - also etwa, ob man regelmäßig zu Vorsorge-Untersuchungen geht - und eine Einbindung in ein soziales Umfeld." Wobei Letzteres nicht unbedingt die eigene Familie sein müsse, so Meryn.

Der Mediziner berichtete außerdem von neuen Trends im US-amerikanischen Spitalsbau, wo Neubauten bereits so geplant werden, dass sie alle zehn, fünfzehn Jahre völlig umstrukturiert werden und an neue technische Voraussetzungen angepasst werden können. Dieses Konzept auf den privaten Wohnraum umzulegen würde bedeuten, dass man sich idealerweise schon bei der Wohnraumschaffung darüber Gedanken macht, wie die Räumlichkeiten auf die Bedürfnisse im Alter umgebaut werden können.

"Städte- statt Wohnbauförderung"

Aufgrund der demographischen Entwicklung werde die Nachfrage nach dem Alter entsprechenden Wohnungen jedenfalls stark ansteigen. Architekt Markus Spiegelfeld wies dabei darauf hin, dass dem Städtebau hier noch vor dem Wohnbau vorrangige Bedeutung zukommen werde: "Beim Städtebau sollte die Durchmischung von Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit erhalten oder gefördert werden", meinte Spiegelfeld, der sich in diesem Zusammenhang außerdem anstatt der Wohnbau- für eine "Städtebauförderung" aussprach.

Sozialministerin Haubner berichtete von mehreren Projekten im ländlichen Raum, bei denen das engere Zusammenleben von Alt und Jung gefördert wird. "Es gibt bereits spezielle Förderungen für Veränderungen in Altbauwohnungen wie z.B. ein Treppenlift oder zusätzliche Handläufe bei Stiegengeländern. Nach dem Gleichstellungsgesetz müssen im sozialen Wohnbau behindertengerechte Wohnungen gebaut werden."

Mehr Pflegefälle in den Heimen

Humanocare-Geschäftsführer Gohm berichtete, dass sich die Situation in den Seniorenresidenzen verändert habe und es viel mehr Pflegefälle als früher in den Heimen gebe, da die Menschen heutzutage erst viel später auf dieses Angebote zurückgreifen. Und nicht zuletzt mit Blick auf die Tatsache, dass die Zahl der Ein-Personen-Haushalte in Wien von 1994 bis 2004 um zwanzig Prozent gestiegen sei, prophezeite Gohm: "Die Seniorenverbände werden eine Hochblüte erleben."

Immobilienexperte Georg Spiegelfeld umriss abschließend die Idee für eines seiner Wunschprojekte: "Ein Zinshaus in guter zentraler Lage mit vielen kleinen Wohnungen für Senioren und mit Gemeinschaftseinrichtungen, um eine gemeinsame soziale Struktur zu schaffen und die Kommunikation zu fördern. Damit wird bei den zukünftigen 'jungen Alten' eine Vereinsamung verhindert." (red)