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Bess Mensendieck
Geboren am 1. Juli 1864
Gestorben am 27. Jänner 1957
Foto: Archiv

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"Ein anständiges Mädchen hat einen Kopf und zwei Hände - und sonst nichts", lautete eine herkömmliche Redewendung, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die köperfeindlichen gesellschaftlichen Konventionen für das weibliche Geschlecht widerspiegelt. Es ist die Zeit der scheuen Keuschheit, das Korsett engt die Frauen ein und reduziert sie auf Gebärende und Sexualobjekte. Die Hausfrauisierung läuft auf Hochtouren, zumindest in bourgeoisen Kreisen, und die ersten Frauenbewegungen rackern sich um Grundrechte ab.

Selbstbestimmung

"Das Mädchen muss, eingepfercht in unmögliche Kleidungsstücke, still im Haus sitzen, in sauerstoffarmer, toter Luft und darf sich nur in sittsamen Schrittchen ergehen", empörte sich die niederländische Ärztin Bess Mensendieck und wollte diesem unerträglichen Zustand ein Ende setzen. Nach ausführlichen Studien der Medizin - hier galten ihr anatomische Kenntnisse wesentlich - und des Gesangs, um die Atemfähigkeit zu erforschen, entwickelte sie in den USA ein System zur Verbesserung von Haltung und Bewegung. Gezielte Turnübungen sollten die schlechte körperliche Verfassung der Frauen zum Schwinden bringen und sie gleichzeitig selbstbewusster machen. Denn eine selbstbestimmt denkende Frau trainiere beides: Körper und Geist, war Mensendieck überzeugt.

"Mensendiecken"

Als sie im Jahr 1906 ihr umfangreiches Wissen in dem Buch "Körperkultur des Weibes" auch in Europa verbreitete, war der Erfolg sensationell. Das Buch wurde ein Bestseller. Die Autorin hielt Vorträge und Lehrgänge ab und gründete 1910 ein eigenes Institut für Mensendieck-Gymnastik in Berlin. Ihr System der Körperkultur war in den 20er-Jahren so populär, dass "Mensendiecken" zum Synonym für Gymnastik wurde. Bis zu ihrem 90. Lebensjahr unterrichtete Bess Mensendieck, demonstrierte auch die Übungen selbst und schärfte den Frauen ein, dass sie sich nicht nach den Körperidealen der Männer richten sollten: "Es schadet unseren jungen Mädchen nicht, wenn sie sich anstrengen, für sich selbst zu denken". (dabu)