Wenn eine nicht mehr wettbewerbsfähige Industrie in Europa oder den USA sich nicht mehr zu helfen weiß, dann ruft sie nach Antidumpingzöllen. Dieses Schlupfloch in den internationalen Handelsverträgen erlaubt es, sich mit Schutzmaßnahmen gegen Staaten zu wehren, die ihre Waren zu Schleuderpreisen verkaufen. Die Beweise für Dumping sind meist ziemlich dünn: Warum sollen auch arme Länder systematisch auf Gewinne verzichten und die Verbraucher in den reichen Ländern subventionieren? Im aktuellen Schuhstreit ist die EU-Argumentation besonders absurd: Die Mieten in China und Vietnam seien zu niedrig und die Kredite an Unternehmen zu billig - als ob irgendjemand in Brüssel die genauen Marktbedingungen dort kennen würde. Tatsächlich geht es Brüssel nur darum, der Schuhindustrie in Italien, Spanien, Portugal und Polen eine kleine Atempause zu verschaffen - und so noch schlimmere Forderungen abzuwehren. Die Sinnlosigkeit dieser Politik ist EU-Kommissar Peter Mandelson wohl bewusst. Er weiß, dass kein Produzent von Massenware mit Billiglohnländern konkurrieren kann. Das geht auch im Schuhgeschäft nur bei Hightechprodukten - und diese sind von den Strafzöllen ohnehin ausgenommen. Vor allem Italien spielt hier eine fragwürdige Rolle. Das wirtschaftlich einst blühende Land hat den Strukturwandel in den vergangenen Jahren verschlafen und nimmt nun den Rest der EU in protektionistische Geiselhaft. Die Konsumenten in ganz Europa sollen für die Fehler seiner Schuhindustrie bezahlen - und wenn es nach deren Spitzenvertretern geht, noch viel mehr. Doch auch diese Maßnahme wird Italiens Wirtschaft nicht aus ihrer Krise helfen. Wer nach Schutzzöllen ruft, hat das Spiel bereits verloren: Die Löcher im Schuh sind so nicht zu stopfen. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.2.2006)