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STANDARD: Nächtliche Dopingrazzia, ein Plastiksack fliegt aus dem Fenster, ein Extrainer flüchtet nach Kärnten und rammt eine Polizeisperre, Athleten reisen Hals über Kopf ab: Was kann da ein PR-Experte noch ausrichten?

Autischer: Eigentlich ein einfacher Fall, den wir in unseren Krisentrainings üben. Jemand wird verdächtigt, etwas Ungesetzliches getan zu haben. Mehr weiß man nicht. Da gibt es drei Dinge zu tun. Erstens: die Verdächtigen schützen. Zweitens: das Umfeld schützen - in dem Fall die übrigen Sportler. Und drittens: ein schnelles und sauberes Verfahren sicherstellen. Kennt man die Ziele, ist es relativ einfach. Als Erstes zieht man die Verdächtigen ab.

STANDARD: Manche haben sich aber selbst quasi abgezogen - siehe etwa Walter Mayer.

Autischer: Ich hätte alle betroffenen Sportler und Funktionäre zu einer Krisensitzung versammelt und mit ihnen geredet: Was ist wirklich los? Im nächsten Schritt hätte es eine Pressekonferenz geben müssen, wo man klar sagt: Es gibt Verdachtsmomente, wir haben die Verdächtigen von den Spielen abgezogen. Zum Schutz der Verdächtigen und um den anderen Sportlern ruhige Spiele zu ermöglichen. Jetzt werden wir alles tun, um die Sache aufzuklären. Fakt war hier: Alle haben geredet, aber niemand hatte etwas zu sagen. Und eine Untersuchungskommission wurde erst nach großem Druck und fast einer Woche Verspätung installiert. Leere Kilometer.

"Schröcksnadel, Wallner und vielleicht sogar Bundeskanzler als Pressesprecher missbraucht"

STANDARD: Eine Pressekonferenz von Leo Wallner und Peter Schröcksnadel gab es.

Autischer: Da hat man die beiden zu früh ins Feld geschickt. Man hatte nicht den Eindruck, dass dem eine Krisensitzung vorausgegangen ist. Beide Präsidenten hätten klar kommunizieren müssen: Man weiß, was man tut. Denn der Verlauf einer Krise hängt ganz wesentlich vom ersten Statement ab. Ist das klar, ist die Krise in der Regel schnell vorbei. Nach dem ersten Statement der Präsidenten sollte nur mehr ein professioneller Pressesprecher agieren. Erst wenn es neue Fakten gibt, sind wieder die Präsidenten dran. Da hat man Schröcksnadel, Wallner und vielleicht sogar den Bundeskanzler als Pressesprecher missbraucht in einer Situation, in der nichts mehr Neues zu sagen war.

STANDARD: Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich der Bundeskanzler in der ORF-Diskussion missbraucht fühlte - das war doch eher ein durchaus willkommenes Podium für ihn.

Autischer: Die Kernfrage lautet: Was soll der Bundeskanzler zu einem Dopingfall sagen, von dem noch keiner weiß, ob er wirklich einer ist?

"Nichts herunterspielen"

STANDARD: Deutliche Verdachtsmomente gab es durchaus, wenn bei einer Razzia ein Plastiksack aus dem Fenster fliegt oder Beteiligte flüchten.

Autischer: Man darf in einer solchen Situation natürlich nichts herunterspielen. Man muss den begründeten Verdacht beim Namen nennen. Aber es kann auch nichts dran sein. Und man kann darauf hinweisen, dass bestimmt 95 Prozent der österreichischen Sportler sauber sind.

STANDARD: Sportler und Medien haben regen Kontakt. Glauben Sie, Sie können verhindern, dass die in einer solchen Situation miteinander reden?

Autischer: Mag sein, dass das hier schwieriger ist. Aber genau das gilt es sicherzustellen. Sonst passiert, was hier passiert ist: gegenseitige Schuldzuweisungen, Verdächtigungen, Dementis.

Österreichs Image

STANDARD: Aus der Sicht der PR hat dieser Fall womöglich positive Seiten: Der erste nationale und mediale Reflex war doch: Unsere armen Sportler! Die fiesen Italiener!

Autischer: Olympische Spiele werden nicht nur in Österreich wahrgenommen. Da geht es um das Image Österreichs. Da hätte man mit gutem Krisenmanagement vieles verhindern können.

STANDARD: Sehen Sie Konsequenzen für Salzburgs Olympiabewerbung?

Autischer: Ich glaube nicht, dass das die Chancen mindert. Vorausgesetzt, Salzburg lässt sich das Thema nicht umhängen. Sicher braucht es eine klare Absage an Doping. Die Salzburger sollen sich nicht zu sehr beirren lassen. Krisen haben eine Halbwertszeit von wenigen Tagen. (DER STANDARD; Printausgabe, 28.2.2006)