Wien - Mit einer Schweigeminute hat der Nationalrat zum Auftakt seiner Donnerstagsitzung des verstorbenen Wiener Altbürgermeisters Leopold Gratz gedacht. Nationalratspräsident Andreas Khol (V) lobte den ehemaligen SP-Politiker, der 1986 bis 1989 selbst Parlamentspräsident gewesen war, als "großen Österreicher". Khol: "Er war ein großer Diener der Republik."

Gratz sei dem Parlament seit seiner Bestellung zum SP-Klubsekretär 1953 engstens verbunden und ein "in seiner Vorsitzführung unglaublich respektierter Nationalratspräsident" gewesen. Seine Menschlichkeit und sein Humor hätten beeindruckt. "Er war ein Gentleman", betonte Khol. "Unser Mitgefühl gehört auch seiner großen Familie, seinen Enkelkindern."

Häupl: Ein "großer Wiener" ist gegangen

Mit "tiefer Bestürzung" reagierte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl am Donnerstag auf das Ableben von Leopold Gratz. "Ein großer Wiener und aufrechter Humanist ist von uns gegangen. Der Tod reißt einen engagierten Mitstreiter und lieben Freund aus unserer Mitte", betonte Häupl in einer Aussendung. Er sprach der Familie seine tiefe Anteilnahme und Mitgefühl aus.

"Viele gesellschaftliche und soziale Errungenschaften, die von so immenser Bedeutung für unsere Stadt und unser Land sind, wären ohne den Politiker Leopold Gratz nicht möglich gewesen. Der Aufstieg unserer Stadt zu einer weltoffenen Metropole und zur Stadt des Miteinanders ist zu einem großen Teil das Verdienst von Leopold Gratz", hob der Wiener Bürgermeister hervor.

"Sein Einsatz und seine Vitalität, der auch das hohe Alter keinen Abbruch tun konnte, haben sich tief in unser Gedächtnis gegraben. Der Mensch Leopold Gratz war mir stets ein Vorbild - in politischen wie auch in menschlichen Belangen. Wir sind Leopold Gratz für seine tiefe Freundschaft und seine Leistungen für unsere Stadt zu Dank verpflichtet. Die Wienerinnen und Wiener werden Leopold Gratz in ehrender Erinnerung behalten", zeigte sich Häupl überzeugt.

Gusenbauer würdigt großen Sozialdemokraten und Humanisten

Mit "großer Bestürzung" reagierte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer auf das Ableben von Leopold Gratz. Er würdigte den ehemaligen Wiener Bürgermeister, Minister und Parlamentarier als "großen Sozialdemokraten und Humanisten, der sein Leben in den Dienst der Republik gestellt hat". Die Sozialdemokratie habe mit ihm einen ihrer angesehensten Vertreter, die österreichische Republik einen ihrer profiliertesten Politiker verloren, betonte Gusenbauer.

Gratz habe in all seinen politischen Funktionen bewiesen, dass ihm die Sorgen der Menschen das wichtigste Anliegen waren: "Er hat das Ohr bei den Bürgern gehabt, nicht zuletzt deshalb war er auch ein so außerordentlich beliebter Wiener Bürgermeister." Besonders ausgezeichnet habe sich Gratz auch durch seine Menschlichkeit, seinen Humor und seinen Charme, erklärte Gusenbauer.

Schüssel: Prägte entscheidend Politik der 70er- und 80er

Leopold Gratz habe in zahlreichen Funktionen die österreichische Innen- und Außenpolitik der 70er- und 80er-Jahre entscheidend mitgeprägt, erklärte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Er drückte im Namen der Bundesregierung den Angehörigen sein Beileid aus.

"Gratz war ein vielseitiger Politiker, der jede Funktion mit ganzer Kraft und Phantasie ausgeübt hat", so Schüssel in einer Aussendung. Als langjähriger Bürgermeister Wiens habe er die Modernisierung der Bundeshauptstadt vorangetrieben, als Nationalratspräsident für den gelebten Parlamentarismus in Österreich eingesetzt.

Haider: Brückenbauer zwischen den Parteien

Der Kärntner LH BZÖ-Chef Jörg Haider zeigte sich "tief betroffen" vom Tod des früheren Wiener Bürgermeisters. Er bezeichnete Gratz als "Wahlkärntner", weil der SPÖ-Politiker mit einer Klagenfurterin verheiratet war und in den vergangenen Jahren einen Gutteil des Jahres in Kärnten verbrachte. Haider würdigte ihn als "Brückenbauer zwischen den Parteien", vor allem der SPÖ und dem Dritten Lager. "Sehr betroffen" zeigte sich Vizekanzler Hubert Gorbach.

Haider kommentierte Gratz' Tod aus persönlicher Sicht: Er erinnere sich "dankbar an viele gemeinsame Gespräche", hieß es in einer Aussendung. Er habe an dem Verstorbenen seine "große Menschlichkeit und Herzlichkeit geschätzt" und verliere mit ihm einen "sehr guten, klugen sowie anteilnehmenden Gesprächspartner". Außenpolitik und Nachbarschaftspolitik seien für Leopold Gratz ein besonderes Anliegen gewesen. Hier habe er mit ihm in vielen Punkten übereingestimmt. (APA)