Ein Wirtshaus-Anblick für literarische Untergeher: Gelich vor dem Stadthallenbeisl-Bullauge

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In Wirklichkeit hat das Saunastüberl ja gar nichts von James Bond. Aber das macht nichts. Im Gegenteil. Denn in Wirklichkeit ist es genau diese Mischung aus Vorstadtkneipenambiente, absoluter Randlage und unverkennbarem Schwimmbadduft und -dampf, der das Saunastüberl einzigartig macht: Wer braucht schon eine schicke Designerbar mit Bullaugen, wenn man - noch dazu garantiert schnöselfrei - auch im Wiener Stadthallenbad (teils ahnungslosen) Schwimmern von unten auf die Bäuche schauen kann? Eben. Aber die Beisl-Bullaugen-Ausblicke alleine, betonte Johannes Gelich Donnerstagabend, als er ebenhier zur Buchpräsentation bat, wären es nicht gewesen, die ihn zu "Chlor" (Droschl) inspiriert hätten: Gelich erzählt die Geschichte eines leidenschaftslosen Mannes, der aus der Echtwelt dauerhaft in das leise plätschernde Refugium Hallenbad flüchtet - ein Aussteigerroman also. Aber statt bekifften "The Beach"-Kommunarden oder Kapitän Nemo eben mit Bademeistern und Seniorengymnastik. Und Blick durch das Saunastüberl-Bullauge.

Spielzeug - leider hinter Glas Den Kindern war der Rummel wurscht. Weil sie mit dem Begriff "Promi" - noch - nichts anfangen können (aber das legt natürlich überhaupt und gar keine Verweise zum Märchen "Des Kaisers neue Kleider" nahe). Und so ließen sie sich bei der Eröffnung der Kultspielzeug-Ausstellung "Die wunderbare Welt von Barbie und Lego" (bis 7. April im Vienna Art Center unter der Freyung) von den diversen La Hongs, Gery Keszlers, Hannes Rossachers oder Roman Gregorys nur kurz stören - und nutzten lieber die Spiel- und Schminkzonen. Erwachsene aber hatten es schwerer. Schließlich galt es doch, Höflichkeit zu simulieren und den von Prominenten gestalteten Barbies (und Kens) Applaus zu zollen - obwohl es doch auch sie eigentlich vor die Erinnerungsstücke an die eigene Kinderzimmerzeit zwischen 1950 und (fast) heute zog. Aber blöderweise steht das Spielzeug in Vitrinen - wohl nicht ganz ohne Grund.

Gesang vom falschen U-Bahn-Aufgang Außerdem haben am Donnerstag Martin Amanshauser und Franz Adrian Wenzl im Wiener Gürtelbogen rhiz eine CD präsentiert. Auf der beschäftigen sich die beiden Herren (Amanshauser ist Schriftsteller und Reisebeschreiber im RONDO, Wenzl als Freddie Mercury-Epigone "Austrofred" bekannt) mit - eh klar - der Liebe. "Mit dir bin sogar ich ganz gut im Bett geworden" vermuten sie etwa. Und gaben als Beschreibung für postjuveniles Verlorensein jenes Gefühl von Leere an, dass Benutzer japanischer U-Bahnen (angeblich) befällt, wenn sie "auf der falschen Seite von Ikeburo" (nebenbei der CD-Titel) die Station verlassen. En passant versicherten die beiden melancholischen Barden, dass durch dieses Projekt ihre gewohnten Aktivitäten nicht beeinträchtigt würden. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe, 04./05.03.2006)