Schüssel: Keine Belastung des Budgets durch Kinderbetreuungsgeld

Finanzstaatssekretär Finz will Verschiebung um mindestens ein Jahr


Wien - "Auf den Sankt-Nim-merleins-Tag" verzögern könne man das Karenzgeld für alle (unter dem neuen Titel Kinderbetreuungsgeld) natürlich nicht. Aber eine Verschiebung vom geplanten Termin 2002 um zumindest ein Jahr wäre aus Budgetsicht sehr "hilfreich", meint Finanzstaatssekretär Alfred Finz. Die Budgetkonsolidierung habe "absoluten Vorrang". Daher könne er dem von VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat im STANDARD-Gespräch eingeleiteten Nachdenken über den Termin des Kinderbetreuungsgeldes "ohne weiteres zustimmen". Bundeskanzler Wolfgang Schüssel will hingegen "zeitgerecht über diese Frage sprechen". Denn das Karenzgeld belaste das Budget nicht, weil es aus dem Familienfonds komme. Damit rennt Schüssel offene Türen beim Katholischen Familienverband ein. Denn dieser meint, das nötige Geld für das "Karenzgeld für alle" sei aus den zweckgebundenen Geldern im Familienfonds finanzierbar. Der Flaf dürfe nicht zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden. Die zeitliche Verschiebung des Kinderbetreuungsgelds ist ein Aspekt der Debatte, der andere ist die Frage, ob es sozial gestaffelt werden soll. Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ) hat das vorgeschlagen, "sein" Staatssekretär, Alfred Finz (ÖVP), ist davon wenig begeistert: "Das Karenzgeld ist eine Versicherungsleistung und daher kein Instrument der sozialen Staffelung" - selbst wenn es künftig auch Studentinnen und Hausfrauen bekommen. Sozialministerin Elisabeth Sickl argumentiert, dass es sich dabei um eine Familien- und keine Sozialleistung handle. Martina Thomasberger, in der Arbeiterkammer für Frauen- und Familienangelegenheiten zuständig, hat andere Einwände gegen die soziale Staffelung: Sinnvoll administrierbar sei eine derartige Staffelung wohl nur, wenn man Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe in die Steuergrundlage mit einbeziehe. Das allerdings gehe über die derzeitige Individualbesteuerung schwer oder nur ungerecht und würde daher möglicherweise zur Familienbesteuerung führen. Diese wiederum habe laut Experten negative Effekte auf die Frauenbeschäftigung. Gerechte Verteilung In die gleiche Kerbe schlägt der Wiener Familienforscher Wolfgang Lutz. Auch er glaubt, dass für eine soziale Staffelung das Familieneinkommen herangezogen werden muss. Und das könnte einerseits Erwerbsarbeit von Frauen wieder unattraktiver machen, andererseits dem Missbrauch "Tür und Tor öffnen". Ganz abgesehen vom administrativen Mehraufwand (das Familieneinkommen muss jährlich neu festgestellt werden). Wenn - was eine gewisse Logik hätte - alle sozialen Transferleistungen ins zu besteuernde Individualeinkommen fielen, wäre auch nicht unbedingt soziale Gerechtigkeit hergestellt. Denn die erwerbslose, sprichwörtliche "Millionärsgattin" würde dann beispielsweise wieder Karenzgeld bekommen. Lutz hält daher das Modell, allen die staatlichen Familienleistungen auszuzahlen, "am praktikabelsten". Denn wenn man konsequent um Verteilungsgerechtigkeit bemüht wäre, dann müssten Besserverdienende auch weniger Pension bekommen, weil der Staatszuschuss dann für alle gleich sein sollte. Eva Linsinger und Martina Salomon für Der Standard