Wien - Österreichs Schüler fühlen sich weniger gesund als ihre Kollegen in den meisten anderen Ländern. Das ist das Ergebnis einer aktuellen internationalen Langzeitstudie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), für die Schüler zwischen elf und 15 Jahren befragt wurden.Eingeschränkte Lebenskontrolle "Zur Gesundheit gehört auch die Möglichkeit, sein eigenes Leben zu kontrollieren", erklärt der Wiener Gesundheitssoziologe Wolfgang Dür, der den bisher unveröffentlichten Österreich-Teil der Untersuchung leitete. Menschen mit nur eingeschränkter Kontrollmöglichkeit über ihr Leben erkranken leichter, sagt Dür, und im internationalen Vergleich liegen die Möglichkeiten der Selbstkontrolle für Österreichs Schüler nach den Umfrageergebnissen der WHO im untersten Mittelfeld. Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg "Sie haben nicht das Gefühl, in Entscheidungen in der Schule einbezogen zu werden", sagt Dür. "Hier schneiden nur Länder wie Russland oder die Slowakei noch schlechter ab." "Dahinter steht das Konzept, dass Schüler nicht imstande wären, an wichtigen Entscheidungsprozessen teilzunehmen, die ihr Leben betreffen", erklärt Dür. "Ähnlich wie man das zu Beginn des Jahrhunderts von den Arbeitern oder den Frauen gesagt hat." Gesundheitsgefährdung Dieser Umstand habe allerdings gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit: "Jene Schüler, die am meisten Selbstkontrolle haben, fühlen sich dreimal so gesund wie der Durchschnitt der Schüler und sechsmal so gesund wie die unterste Gruppe", berichtet Dür. Dass die Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes ein aussagekräftiger Wert für den individuellen Gesundheitsstatus ist, weiß man aus früheren Untersuchungen. "Eine aktuelle amerikanische Meta-Studie belegt, dass die Selbsteinschätzung der eigenen Gesundheit sogar einen hohen Vorhersagewert für die Lebenserwartung hat. Mit diesen Fragen nach der individuellen Gesundheit kann etwa die Sterblichkeit innerhalb von fünf Jahren genauer vorhergesagt werden als mit medizinischen Tests", sagt Dür. Österreichische SchülerInnen rauchen mehr Der Risikofaktor Rauchen sorgte für das auffälligste Ergebnis der WHO-Studie. Österreichs Schüler rauchen heute deutlich mehr als noch vor zehn Jahren. Ende der 80er griffen von den 15-jährigen Mädchen rund acht Prozent täglich zur Zigarette, 1998 waren es bereits 24 Prozent. Die männlichen Jugendlichen halten heute etwa bei der gleichen Zahl, rauchten allerdings schon damals mehr. "Eine Ursache dafür ist nicht nur das Marketing der Tabakkonzerne, das heute mehr auf Jugendliche zugeschnitten ist", sagt Dür. "Disprivilegierte" Kids Zigarettenrauchen als Massenphänomen sei historisch immer mit dem Emanzipationsprozess von unterprivilegierten Gesellschaftsschichten einher gegangen, etwa zuerst bei den Arbeitern oder danach bei den Frauen. Heute zählen die Jugendlichen zu dieser "disprivilegierten Schicht", meint Dür. "Wir sollten daher nicht nur darüber diskutieren, wie wir die Schule effizienter und damit billiger machen können, sondern auch darüber, wie sie gesünder für die Schüler wird", meint der Gesundheitssoziologe. "Mehr Verantwortung könnte dabei einiges bewirken." (hu/rbe)