Wien - Hart ins Gericht geht die OECD mit den europäischen Bildungs-Verantwortlichen, die sich am Donnerstag bei einem informellen Rat in Wien treffen. In der Untersuchung "The economics of knowledge: Why education is key for Europe's success" rät Andreas Schleicher, Leiter der Abteilung "Indikatoren und Analysen", unter anderem zu höheren Investitionen in die Hochschulbildung. Für die Studie wurden keine neuen Daten erhoben, sondern Kennzahlen aus verschiedenen Untersuchungen wie PISA oder "Bildung auf einen Blick" verwendet.

In den USA würden derzeit pro Student um mehr als 50 Prozent höhere Mittel aufgewendet als in Europa, schreibt Schleicher. Gleichzeitig hätten die USA, Australien, Japan und Korea die Zugangsraten zur tertiären Bildung durch eine Ausweitung der zur Verfügung stehenden Plätze massiv erhöht, indem sie vor allem die Studenten dafür bezahlen lassen. Umgekehrt würden die meisten kontinentaleuropäischen Staaten weder die nötigen öffentlichen Investitionen tätigen, noch den Unis die Einführung von Studiengebühren erlauben. Die Argumentation zahlreicher europäischer Staaten, dass solche Gebühren unfair oder unsozial wären, verwirft Schleicher: Die gleichen Staaten würden für den Besuch von Kindergärten und ähnlicher Einrichtungen, wo die Gleichheit tatsächlich auf dem Spiel stehe, oft sehr wohl Gebühren verlangen.

Expansion des Hochschulsektors

Gleichzeitig verweist Schleicher auf die wesentlich schnellere Expansion des Hochschulsektors in anderen Wirtschaftsräumen. So habe etwa Korea in den 1960er Jahren das gleiche Bruttoinlandsprodukt (BIP) wie Afghanistan aufgewiesen und sich nur auf Platz 21 von 30 OECD-Staaten bei der Akademikerquote befunden - heute liege das Land auf Platz drei bei der Akademikerquote der 25- bis 34-Jährigen. In Europa hätten zwar Irland, Portugal und Spanien ihre Position verbessert, Staaten wie Frankreich, Italien oder Großbritannien die ihre aber nur gehalten, Deutschland sei sogar zurückgefallen.

Positiv hervorgehoben wurden auch die nordischen Staaten, in denen heute mehr als zwei Drittel der Schulabgänger eine Hochschule besuchen. Zum Vergleich: In Österreich liegt schon die Maturantenquote bei nur rund 40 Prozent.

Hochschulranking

Als weiteren Indikator für die Probleme Europas gibt Schleicher das Hochschulranking der Shanghai Jiao Tong University an: Dieses sei zwar nicht unumstritten, zeige aber doch, dass von den 20 dort genannten Top-Universitäten 17 in den USA und nur zwei in Europa liegen würden (Oxford und Cambridge, Anm.). Darüber hinaus entschieden sich 40 Prozent aller Studenten, die im Ausland studieren, für die USA: "Ein Zeichen dafür, dass die USA die erste Wahl für globale Bildungs-Konsumenten bleiben."

Gleichzeitig weist Schleicher darauf hin, dass Europa nach wie vor über einige der weltweit besten Schulsysteme verfügt. Als Beispiel nennt er Finnland. Erfolgreiche Bildungssysteme würden heute den Schulen mehr Autonomie geben und sich von einer Ressourcen- und Inhaltskontrolle auf das Erreichen besserer Resultate konzentrieren.

Im tatsächlichen Unterricht nicht beachtet

Vielfach würden aber in Europa die Ergebnisse der Bildungsforschung im tatsächlichen Unterricht nicht beachtet, kritisiert Schleicher. In Europa ähnle Erziehung einer Art Heimarbeit, in der die Praktiker isoliert arbeiten und ihre Erfahrungen auf Volksweisheiten stützen würden. Und: Im vergangenen Jahrhundert hätten jene europäischen Staaten, die versucht hätten, ihre Schulsysteme, Jobaufgaben, Kultur und Traditionen zu bewahren, indem sie Erfahrungen aus der ganzen Welt nicht beachteten, stagniert.

Auch mit einem Vorurteil räumt Schleicher auf: So zeige etwa die PISA-Studie, dass in den USA die soziale Herkunft eines Schülers weniger Einfluss auf seine Leistung hat als in Deutschland, Frankreich und Italien. Auch Österreich fällt in diese Gruppe. (APA)