Brüssel - Die EU-Kommission wehrt sich gegen das vernichtende Zeugnis, das ein Bericht des in Brüssel ansässigen Think Tanks "Bruegel" über die runderneuerte Strategie für Wachstum und Beschäftigung ausstellt. Der Bericht basiere "auf unvollständigen und fehlerhaften Informationen", ziehe Schlüsse aus einem "sehr kurzen Zeitraum", stelle "tiefes Unverständnis der integrierten Leitlinien" unter Beweis und "ignoriere wichtige Argument gegen seine wichtigsten Empfehlung", teilte die Kommission am Mittwoch mit.

"Last Exit to Lissabon"

Der Bericht "Last Exit to Lissabon", den die EU-Finanzminister am Vortag bei ihrem Treffen in Brüssel diskutiert haben, stellt fest, das Reformprogramm leide unter dem Mangel an klaren gemeinsamen Zielen, Unterfinanzierung und der zu weichen Beurteilung der bisherigen Performance durch die EU-Kommission. Auf einer Indexskala von 12 Punkten, die die Autoren an Hand von vier Indikatoren erarbeitet haben, komme die gesamte EU nur auf 5,8 Zähler, wobei die sechs "Großen" nur 4,8 erreichen und die 19 kleineren Staaten im Schnitt zumindest auf 6,1kommen.

Bewertungsprozess muss isch entwickeln

Die Brüsseler Behörde räumt zwar ein, dass der Bericht "einige nützliche Punkte" zur Verbesserung der Lissabon-Strategie enthalte, wie etwa die Warnung vor zu wenig Engagement der Länder. Gleichzeitig verteidigt sie ihre Vorgangsweise: Der Report vernachlässige völlig, dass die wichtigsten Herausforderungen für jedes Land systematisch analysiert worden seien und dass der Bewertungsprozess sich erst entwickeln müsse. Ab 2007 würden außerdem länderspezifische Empfehlungen in den Jahresberichten der Kommission enthalten sein. Ebenso sei es zwei Monate nach der ersten Bewertung der nationalen Lissabon-Pläne zu früh, über deren Umsetzung zu urteilen.

War´nung vor Anprangerung

Es sei außerdem keine gute Idee, die Prioritäten für die neue Lissabon-Strategie neuerlich zu überarbeiten und zu reduzieren, wie dies die Autoren vorschlagen. Das würde alle Beteiligten mehr verwirren, als den Fokus des Prozesses zu stützen. Die Brüsseler Behörde warnt auch vor dem öffentlichen Anprangern von schlechten Lissabon-Schülern, wie es der Bericht verlangt. Dies würde die notwendige Zusammenarbeit zwischen EU-Kommission und nationalen Regierungen erschweren.

Überarbeitete Strategie

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich im Frühjahr 2000 in Lissabon darauf geeinigt, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. 2005 wurde die Strategie überarbeitet, nachdem klar geworden war, dass die EU die Ziele - drei Prozent jährliches Wirtschaftswachstum und eine Beschäftigungsquote von 70 Prozent bis 2010 - nicht erreichen wird. In der überarbeiteten "Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung", wurde die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Belebung der Wirtschaft und der Abbau von Bürokratie ins Zentrum gerückt, und nationale Lissabon-Pläne vereinbart, ein konkretes Datum, bis wann Europa seine Ziele erreichen will, gibt es aber nicht mehr. (APA)