Yeah Yeah Yeahs: "Show Your Bones" (Universal), erhältlich ab 24. März

Foto: Universal
Karen O und die Yeah Yeah Yeahs aus New York entdecken auf ihrem neuen Album "Show Your Bones", wie man aus lärmigem Rock Welthits machen könnte - wenn nicht dauernd Kosakenhorden in der Großraumdisco einfallen würden.


Man darf jetzt sprachlich nicht so zimperlich sein, aber einer Live-Performance von Karen O kommt man am besten mit dem Begriff Wildsau bei. Immerhin wütet die New Yorker Sängerin auf der Bühne regelmäßig herum, als wäre der Punkrock gerade erst erfunden worden. Mikrofonständer fliegen gegen das Schlagzeug, Verstärkertürme fallen um, Karen O gibt auf dem Boden kriechend die wegen fremder Menschen in der Wohnung fauchende Hauskatze und ruft das Armageddon aus. Sie spuckt tatsächlich Feuer, löscht mit Dienstbieren - und das blöde Publikum kriegt schon einmal einen Tritt ab, wenn es glaubt, dass da oben auf der Bühne etwas zu holen wäre. Dazu ist die 27-Jährige mit einer Stimme gesegnet, mit der man besetzte Häuser räumen kann. Hier kiekst und schrillt und gellt es, dass die im ähnlichen Wackelkontakt-Diskant vortragende Gwen Stefani dagegen wirkt wie Norah Jones.

Karen Orzolek, Gitarrist Nick Zinner und Schlagzeuger Brian Chase zählen als Yeah Yeah Yeahs spätestens seit Fever To Tell aus 2003 vielleicht noch neben den ähnlich spartanisch instrumentierten White Stripes zu jenen Hoffnungsträgern im Alternative-Genre, die weniger nach der gegenwärtig gängigen historischen Formel eines Underground-Rock arbeiten, wie man ihn in dieser Form auch schon in den goldenen Punk-Jahren so um 1977 / 78 / 79 herum spielte (der Lou Reed- und Johnny Thunders-Faktor). Stichwort: The Strokes und ihre längst ins Kraut schießenden Nachahmungsnachahmer.

Die Yeah Yeah Yeahs arbeiten sich eher an popmusikalischen Vorstufen wie Blues und Rockabilly und waffenscheinpflichtigem Surf-Rock ab. Sie laden ihn allerdings mit comicshafter Überzeichnung derart ironisch und sich selbst jederzeit über das eigene Tun im Klaren befindlich smart-ärschig auf, dass die ganze Sache schon einmal erheblich schief gehen kann. Zwischen all dem abgebrühten Patchwork von Fever To Tell musste man doch ziemlich oft nach Substanz hinter dem Effekt suchen. Und oft vergaß man neben einem simplen Gitarrenriff über einem wenig originellen Viervierteltakt auch schlicht und einfach darauf, dazu noch einen Song zu komponieren. Zumal Karen O vor zwei Jahren auch noch als Blade Runner-Schneewittchen und neueste Styling Queen des Rock mit ihrem bis heute nicht Schule machenden Schnittlauch-Pagen zu Ehren von Mirielle Matthieu derart penetrant in den Lifestyle-Gazetten herumgereicht wurde, dass eines nicht mehr auffiel: Trotz einer knappen Million verkaufter CDs merkten nur wenige, dass die Yeah Yeah Yeahs auch Musiker sind.

Live ging sich das alles natürlich als fröhlicher Bildersturm gegenüber 2003 etwas lauer und linder wehenden Lüftchen im Alternative-Genre blendend aus. Persönlicher Einsatz und ein Furcht erregendes Charisma helfen dann ja doch, etwaige Defizite zu überdecken. Wenn sich jemand im Gewerbe gern vor einem sensationslüsternen Publikum auf der Bühne produziert, dann Karen O.

Eigentlich schreibt man solche Bands dann ja nach einem netten, halbherzig produzierten wie auch vom Publikum nur mild enthusiastisch aufgenommenen Debüt ab. Dass die Yeah Yeah Yeahs aber jetzt mit Show Your Bones tatsächlich ein musikalisch überzeugendes Album nachschieben, überrascht - und macht Freude. Nicht nur, dass Karen O die nach wie vor gewöhnungsbedürfte Schrillstimme und vor allem die doch erheblich an die Nieren gehenden Kiekser geradezu dramatisch zurückgenommen hat und nun nicht länger im Rollenfach der durchgeknallten postmodernen Duse gefangen ist. Immerhin gibt sie neben einem osteuropäischen Racheengel, der mit Kosakenhorden raubend und brandschatzend in einer Großraum-
disco einfällt, in der gerade der HipHop-Song (Something Like A) Phenomenon gespielt wird, jetzt in einem Song wie Mysteries über der künstlerischen Deutung einer Rinderstampede schon einmal die singende Kellnerin aus einer Truckerkneipe in Texas. Bevor ein als Windhose getarntes Gitarrensolo Tod und Verderben über das Lokal bringt. Last orders, please!

Eingedenk der Tatsache, dass man für leicht verträgliche Popmusik weniger Talente benötigt als für das Befestigen von Störeffekten in ihr, zimmert der sich zu einem der besten Gitarristen der Szene entwickelnde Nick Zinner dazu unglaublich vielschichtige, aber immer um Ökonomie bedachte Charts-Schutzwände. Zwischen denen fuhrwerkt das stramme Schlagzeugspiel von Brian Chase auf den Spuren von Led Zeppelin. In einer besseren Welt wären diese elf Songs von Show Your Bones und vor allem Cheated Hearts ein Welthit. Aber Gerechtigkeit ist keine künstlerische Kategorie. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.3.2006)