Wien – Eine Minute und zehn Sekunden sind
keine zehn Minuten. Wenn die längere Zeitangabe aber von Polizisten kommt, reicht es für
eine nicht rechtskräftige Verurteilung wegen
Widerstandes gegen die Staatsgewalt – auch
wenn eine Auflistung von Handygesprächen
die Version des Beschuldigten stützen.
Zu sieben Monate auf Bewährung wurde der
23-jährige Georg G. in Wien verurteilt, weil er
im vergangenen November betrunken Polizisten attackiert und sich der Festnahme widersetzt haben soll. Rund zehn Minuten soll der
Kampf mit drei Beamten gedauert haben, ehe er
mit Handschellen gefesselt werden konnte.
Den Rausch bestreiten G. und sein Anwalt
Josef Lagler nicht, den Ablauf sehr wohl. Der
Twen wollte abgeholt werden und telefonierte
mit seiner Mutter, die schon auf dem Weg zu
ihm war. Er glaubte, ihr Auto zu erkennen und
stieg auf die Straße. Als eine Funkstreife stoppte. Die Beamten forderten ihn auf, die Fahrbahn
zu verlassen (angeblich mit den Worten
"Gschissener geh weiter") und sich auszuweisen ("Gschissener gib mir deinen Ausweis.")
Herr G. entsprach der letzten Aufforderung
nicht – und wurde nach seiner Darstellung umgerissen, sein Handy flog weg, er wurde gefesselt. Eine zeitliche Abfolge, die sich in den
Handyrechnungen von Mutter und Sohn spiegeln, meint Anwalt Lagler: Zwischen abruptem
Abbruch des Gesprächs, neuem, auf die Mailbox führenden Anruf der Mutter und ihrem
Eintreffen liegen keine zehn, sondern nur gut
eine Minute. Die Richterin glaubte den Beamten, gegen ihre Entscheidung wurde berufen. (Michael Möseneder, DER STANDARD – Printausgabe, 17. März 2006)