In den vergangenen Jahrzehnten wurden die landwirtschaftlichen Flächen Mitteleuropas zunehmend intensiver genutzt. Neben verstärktem Einsatz von Chemie bedeutete das in vielen Fällen auch die Beseitigung kleinräumiger Strukturen wie Hecken, Feldgehölze oder Ackerraine. Diese so genannte Ausräumung der Landschaft hat bei allen Vorteilen für die Bearbeitung auch massive Nachteile für die Artenvielfalt in den betroffenen Gebieten gebracht.

Wie dieser Mangel an Artenvielfalt auf die Landwirtschaft zurückwirkt, ist bisher wenig untersucht worden. Ein vom Wissenschaftsfonds (FWF) gefördertes Projekt am Institut für Zoologie an der Universität für Bodenkultur Wien soll hier zu einer Verbesserung der Datenlage beitragen. Thomas Frank und seine Mitarbeiter Dietmar Moser, Johann Zaller, Thomas Drapela und Claudia Url untersuchen derzeit die Zusammenhänge zwischen Landschaftsstruktur-Vielfalt und Nützling-Schädling-Interaktionen.

Als Untersuchungsobjekt dient ihnen dabei der leuchtend gelbe und vielfältig nutzbare Raps. Der wie Kohl und Rüben zu den Kreuzblütlern gehörende Raps wird in Mitteleuropa seit dem 17. Jahrhundert in größerem Stil angebaut. Ursprünglich wurden seine stark ölhaltigen Samen vorwiegend für die Herstellung von Lampenöl verwendet, da das aus Raps gewonnene Speiseöl beißend bis bitter schmeckte. Dementsprechend fand es am ehesten in den Küchen der Armen Verwendung beziehungsweise im Zweiten Weltkrieg zur Herstellung von Margarine.

Die heutigen Rapssorten haben dieses Problem nicht mehr, und dementsprechend hat Raps für die Produktion von Tierfutter und Speiseöl in den vergangenen 30 Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Darüber hinaus ist die Verwendung in der Biodieselherstellung für den steigenden Rapsanbau verantwortlich.

Genutzt wird der Raps jedoch nicht nur vom Menschen, sondern auch von einigen Insekten, die teilweise erheblichen Schaden an ihm anrichten. Deshalb wird Raps meist intensiv mit Pestiziden behandelt. Frank und sein Team untersuchen in erster Linie den Rapsglanzkäfer (Meligethes aeneus), den Gefleckten Kohltriebrüssler (Ceutorhynchus pallidactylus), den Großen Rapsstängelrüssler (Ceutorhynchus napi) und die Kohlschotenmücke (Dasineura brassicae), die jeweils verschiedene Teile des Rapses befallen.

Der Rapsglanzkäfer frisst Knospen und Blüten, die Larven der Rüsselkäfer minieren im Stängel, und die Kohlschotenmücke legt ihre Eier in die Schoten. Sie alle werden ihrerseits von anderen Tieren genutzt - sei es von Räubern oder Parasitoiden. Erstere sind vor allem Laufkäfer und Spinnen, Letztere in erster Linie winzige Wespenarten, die ihre Eier in die Schädlinge legen und sie als lebende Speisekammer für die daraus schlüpfenden Larven verwenden.

---> Auswirkungen untersucht Dementsprechend wollen die Boku-Zoologen nicht nur herausfinden, wie sich die Landschaftsstruktur auf die Schadinsekten auswirkt, sondern auch, welche Auswirkungen sie auf die Diversität und die Fortpflanzungsleistung ihrer Räuber sowie auf die Effizienz der Parasitoiden hat.

Zu diesem Zweck untersuchen sie östlich von Wien, in der Umgebung von Prellenkirchen, dreißig jeweils einen Hektar große Felder in verschieden strukturierten Landschaften: Der Anteil an naturnahen Landschaftselementen im Umkreis von zwei Kilometern der Versuchsflächen reicht von zehn bis 70 Prozent. Während der Versuche findet zwar Düngung statt, aber keine Schädlingsbekämpfung.

Um die Dichte der untersuchten Schadinsekten zu beurteilen, wurde in der Wachstumssaison 2005 der Befall von insgesamt mehr als 1000 Rapspflanzen erhoben und mit Feld- und Landschaftsparametern verrechnet. Das brachte interessante Ergebnisse: So wird etwa die bisher als wenig mobil geltende Kohlschotenmücke durch bis zu 500 Meter entfernte Gehölze gefördert, was darauf hinweist, dass sie - zumindest teilweise - von dort in die Felder eindringt. Während ein hoher Rapsanteil in der Umgebung der Versuchsflächen den Befall durch die Kohlschotenmücke in einer Art Kumulationseffekt in die Höhe treibt, führt derselbe Umstand bei den Käfern offenbar zu einer Ausdünnung über die zur Verfügung stehende Fläche, jedenfalls zu einer Abnahme in den Untersuchungsfeldern.

Völlig neu ist auch, dass bei allen drei untersuchten Käferarten der Befall eines Rapsfeldes umso höher ist, je dichter die Rapspflanzen darauf stehen - möglicherweise, weil die Käfer Bestände, die in kurzer Zeit viel Nahrung bieten, bevorzugt nutzen. Solches Verhalten ist für Honigbienen belegt.

Das Projekt ist noch in vollem Gange, doch zeichnet sich bereits ab, dass vielfältigere Landschaftsstruktur sowohl die Häufigkeit von Schadinsekten als auch von deren Feinden, unter anderem Spinnen, erhöhen kann. Franks Team konnte einen positiven Effekt auf deren Artenvielfalt für Felder in abwechslungsreichen Landschaften feststellen, sofern die strukturierenden Elemente nicht weiter als 1000 Meter entfernt sind: Im besten Fall enthielt ein Feld 50 Spinnenarten, im schlechtesten nur 25. Insgesamt wurden 115 Arten nachgewiesen. Unabhängig von der Artenzahl beeinflusst die Entfernung der nächsten Brache die Individuenzahl; je näher eine solche, desto mehr Spinnen. Viele Spinnen überwintern in den Brachen, die eine wichtige Rolle in ihrem Lebenszyklus zu spielen.

---> Der Lebenszyklus der Käfer Der Lebenszyklus der Raps fressenden Käfer sieht völlig anders aus: Ihre Larven lassen sich im Frühsommer zu Boden fallen, verpuppen sich dort und schlupfen wenige Wochen später als fertige Käfer. In der heurigen, in - je nach Wetter - einigen bis vielen Wochen startenden Saison wollen die Forscher untersuchen, welchen Einfluss Räuber tatsächlich auf die Schädlingsdichte haben.

Dazu errichten sie auf acht Feldern in unterschiedlich strukturierten Landschaften aus handelsüblichen Schneckenzäunen zwei Quadratmeter große "Arenen" und fangen darin auf der Bodenoberfläche alle Spinnen und Insekten weg, die die Käferlarven fressen könnten. Diese Flächen werden mit gleich großen verglichen, in denen normale Verhältnisse herrschen, woraus die Effizienz der Bodenräuber bei der Schädlingskontrolle berechnet wird.

Derzeit werden die Daten zum Effekt der Schlupfwespen auf die Entwicklung der Raps-Schädlinge ausgewertet. Neben den angeführten Aspekten werden im Projektgebiet auch Einflüsse der Landschaftsstrukturvielfalt auf Collembolen (Pascal Querner, Boku) und auf Vögel (Christian Schulze, Universität Wien) untersucht.

Neben grundsätzlichen Erkenntnissen zu ökologischen Zusammenhängen in Agrarlandschaften soll das Projekt auch helfen, Handlungsempfehlungen für den integrierten Pflanzenschutz und eine umweltgerechte Landschaftsentwicklung zu erstellen. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18./19. 3. 2006)