Was Familienunternehmen so attraktiv macht und was sie intern so beschäftigt: "Familienunternehmen - wie modern ist Tradition?" Das aktuelle Karrierenforum schaut hinter die Kulissen von Familienunternehmen, analysiert ihre Defizite, ihre Vorteile und kommt zu einem großen gemeinsamen Blick in die Zukunft dieser Unternehmen.

Hinter drei Viertel der Unternehmen in Österreich stehen Familien als Eigentümer. Mehr als 80 Prozent der Arbeitnehmer sind in Familienunternehmen tätig. Trotzdem sind die wenigen Familienunternehmen, die sich ins Licht der Öffentlichkeit wagen, eher in den Society-Spalten zu finden. Auf den Wirtschaftsseiten sind sie eher mit unangenehmen Anlassfällen - Anteilsstreitereien, Nachfolgeproblemen, unfreundlichen Übernahmen - zu finden. Grund genug, um im aktuellen Karrierenforum einen Blick hinter die Kulissen solcher Unternehmen und auf die dort wirkenden Kräfte zu werfen.

"Gespräche mit Beratern werden oft erst dann gesucht, wenn die Probleme schon da sind, etwa eine Nachfolgefrage", so Günther Tengel, Geschäftsführer Jenewein & Partner und Mitglied der Amrop Hever Group, in der sich eine weltweite Practice Group mit dem Thema Familienunternehmen beschäftigt. "Diese Unternehmen arbeiten nach außen hin sehr diskretionär, leider auch oft nach innen", sagt Bernward Brenninkmeyer, Mitglied des C&A-Eigentümerclans, der aus dem Familienunternehmen den Exit gewählt hat und jetzt mit ei- ner eigenen Beratungsfirma (Brenninkmeyer & Seyer) für diesen Bereich tätig ist. "Mich wundert ja oft", so Klaus Hübner, Eigentümer der Hübner & Hübner Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung, "dass viele Firmen in so einem inneren Zustand einen Käufer finden." Es sei manchmal "traurig, anzusehen, wohin Geschwisterrivalitäten führen", sagt er ohne Namen zu nennen.

Liebe, Macht, Geld: Ein Spannungsfeld voller unangenehmer Fragen

Georg Kapsch, Vorsitzender der Kapsch AG, eines Familienunternehmens in der vierten Generation, sieht drei Knackpunkte: die Strategie, die Funktionsbesetzung und die Frage nach Thesaurierung versus Ausschüttung der Gewinne. Dahinter stecke in Familien bisweilen das Problem "nicht funktionsgeeigneter Kapitaleigner". Er hat im Jahr 2000 mit seinem Bruder und der Schwester die Familie seines Onkels (42 Prozent) ausgekauft. Dann kam die Telko-Krise, und eine Restrukturierung des heutigen Weltmarktführers bei elektronischen Mautsystemen war nötig.

Kapsch weiß also, wovon er redet, und kann sich leisten: "Wir könnten die Zahlen-Performance vielleicht verbessern, ein Prozent mehr Return-on-Sales herausholen. Darauf verzichte ich aber zugunsten der Nachhaltigkeit."

Werte und Nachhaltigkeit - ein zentrales Diskussionsthema

Ein Stichwort für Brenninkmeyer: "Werte sind immer ein zentrales Diskussionsthema in solchen Gefügen." Hübner: "Ja, und diese operativ nutzbar zu machen." Franz Pinkl, Konzernchef der Volksbanken: "Ohne Nachhaltigkeit kommen Konzerne heute auch nicht mehr aus - Familienunternehmen aber schon gar nicht."

Pinkl hat durch den Erwerb der Investkredit Bank AG - Spezialbank für Mittelstandsfinanzierungen - und der Kommunalkredit das Portfolio seines Hauses für Familienunternehmen massiv erweitert. Auch, um diesen Unternehmen alle Kredit- und Kapitalmarktinstrumente aus einer Hand anbieten zu können.

Im Zuge der grenzenlos gewordenen Kapitalmärkte und eines wieder sehr lebhaft tätigen Übernahmegeschäftes sieht er nun deutlich mehr Bereitschaft auch zu alternativen Finanzierungsformen in Familienunternehmen: "Früher stand das Vermeiden von Steuern klar im Zentrum. Die Anforderungen von Basel II haben zu einem Umdenken geführt." Kleineren Unternehmen könne nun auch adäquater angeboten werden, was früher in Finanzierungsfragen lediglich den großen Multis vorbehalten war.

Gesunde Distanz der Eigentümer ist wichtig

Die viel gepriesene Tradition der Familienunternehmen, so die Runde einig, sei modern. "Wenn ,modern' nicht als ,modisch' verstanden wird", sagt Pinkl, und, Hübner ergänzend, "die Innovation nicht vergessen wird".

Kapsch: "Eine gesunde Distanz der Eigentümer ist auch wichtig." Es sei "sehr erschwerend", wenn sich Familienmitglieder ausschließlich über ihr Unternehmen definieren und daraus ihre Identität beziehen.

Unisono wird die Analyse Brenninkmeyers bestätigt: "In Familienunternehmen wird zu wenig kommuniziert." Familienstrategie gelte es zu tragen, nicht zu ertragen. Dazu sei ständige Standortbestimmung notwendig. Brenninkmeyer: "Schieflagen, Probleme, widerstreitende Interessen sind oft einfach nicht bewusst." Hübner: "Das sind ja meistens hoch emotionale Fragestellungen - und das in sehr turbulenten Umwelten." Also: externer Rat, mediatorische Dienste als Lösung. Auch wenn, so konstatieren die Diskutanten, ohne Leidensdruck kaum jemals gesprochen werde. Hübner: "Die Lösung liegt immer in den Leuten selbst."

Mittelständische Familienunternehmen sind für viele in Konzernkarrieren attraktiv

Er selbst, dessen Unternehmen jüngst zu einem der beliebtesten Arbeitgeber gekürt wurde, zwingt sich und sei- ne 30 Partner jährlich zu einer Bewertung der Anteile. "Transparenz", wie er sagt, als Basis des guten Miteinanders.

Alle Diskutanten sehen für Familienunternehmen in Zeiten der Globalisierung beste Chancen. Ihre Werte, ihre Aufstellung, ihre Philosophie, wird gegenüber Großkonzernen und Publikumsgesellschaften nicht als unterlegen gesehen. Im Gegenteil.

Georg Kapsch legt dabei aber besonderen Wert auf das Wahrnehmen der Führungsfunktion aus der Eigentümerfamilie. Dazu gehörten auch Gesten - etwa sich nicht mehr Benefits herauszunehmen, als den Mitarbeitern zugestanden werden.

Aus seiner Personalberatungstätigkeit heraus nimmt Tengel derzeit eine steigende Attraktivität von Familienunternehmen wahr: "Die Leute kommen aus Konzernen und wollen in anderen Strukturen arbeiten, dort, wo nicht irgendjemand irgendwo entscheidet." In Konzernen entstehe eine neue Lust, "hands-on" zu arbeiten. Der große Run auf Jobs bei Multis habe stark nach gelassen. "Sinnstiftung", nickt Hübner und bestätigt diese Wahrnehmung: auch in puncto Personalressourcen gute Karten für die Zukunft. (DER STANDARD, Printausgabe vom 18./19.3.2006)