Und welche ist jetzt welche? Die jüngeren Zwillinge aus Kathrin Resetarits' Kurzfilm "Ich bin ich".

Foto: Diagonale
... – ein ebenso kluges wie witziges Unterfangen.


Beim Turnunterricht ist man das erste Mal verwirrt. Da weiß man nicht mehr, wen man vor sich hat. Jede der beiden Zwillingsschwestern ist in der Halle allein unterwegs. Die Kamera bleibt statisch auf die Szenerie gerichtet, und wenn dann eine der beiden im Bild erscheint, kennt man sie noch nicht lange genug, um den Unterschied zur abwesenden anderen festmachen zu können.

In Kathrin Resetarits' Kurzfilm "Ich bin ich" ist nicht nur an dieser Stelle ein kleines Rätsel eingebaut. Es geht darin gleich um zwei weibliche Zwillingspaare in kindlichem Alter. Zwei Mädchen sehen fern, sie essen, präsentieren ihr – mehr oder minder – ausgeprägtes musikalisches Talent: Die Dopplung ist von Beginn an Prinzip,‑ was dem Film eine schöne Spiegelungsform beschert.

Eine trügerische, allerdings: Denn Resetarits spielt sich geschickt mit den äußeren Gemeinsamkeiten, wenn sie die Zwillinge jeweils gemeinsam ins Bild rückt und dabei doch auf die Unterschiede zielt. Welche ist jetzt welche? "Jeder ist ja sich", sagt eines der Mädchen bestimmt, und: "Eigentlich sind ja alle Menschen gleich."

Nach "Ägypten" und "Fremde" ist "Ich bin ich" erst die dritte Regiearbeit von Kathrin Resetarits, die zuletzt vor allem als Schauspielerin aktiv war. Mit "Ägypten", der über Taubstumme das Verhältnis von Bild und Ton/Sprache thematisierte, verbindet den neuen Film die Reflexion von grundsätzlicheren Fragen. Wo setzt Identität an, und wie grenzt man sich vom anderen ab? Und wie setzt man die entsprechenden Antworten filmisch um?

Die Lösungen, die Ich bin ich findet, sind klug, witzig und unprätentiös. Einmal sieht man die Mädchen beim Memory-Spielen, dann müssen sie auf Fotos zeigen, wer die eine, wer die andere ist – wobei sie nicht wirklich überzeugen. In Gesprächen wird dann offensichtlich, dass man sich vom anderen vor allem abhebt, indem man Differenzen betont. Aber was sprachlich gelingt, bleibt im Bild die ungleich schwierigere Aufgabe. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2006)