Wolfgang Puschnig über seinen Stil: "Was mir gut gefällt, ist, mit einer gewissen Ansichtslosigkeit zu spielen."

Foto: STANDARD/Heribert Corn
Ein Gespräch über reaktivierte und neue Projekte, über Karrierestress und Musik als Quelle von Trost.

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Wien - "Ich denke, es geht in der Musik nicht um Neues, es geht darum, die immer gleichen Dinge auf immer andere Art und Weise zu sagen. Dabei geht es um existenzielle Grundbefindlichkeiten: das Woher-Warum-Wohin. Liebe. Tod. Wobei die Musik sicher keine Antworten geben kann. Aber sie kann vielleicht Trost spenden."

Mit Wolfgang Puschnig ins Gespräch zu kommen heißt auch zumeist, ins Grübeln zu geraten. Über die Dinge hinter den Tönen. Über die Nachdenklichkeit, Melancholie einer Person, die sich auf der Bühne oft witzig-extravertiert gibt. "Der Tod lässt keinen aus - aber das Leben auch nicht", ließ Puschnig einst auf sein (kürzlich wiederveröffentlichtes) Debüt-Album Pieces of a Dream drucken.

1988 war das, ein Jahr, bevor der damals 32-Jährige das Vienna Art Orchestra verließ, das er 1977 gemeinsam mit Mathias Rüegg mitbegründet hatte. Ambivalenzen sollten auch seine erfolgreiche Solokarriere prägen: etwa dergestalt, dass er, dem die Komponistin Carla Bley gerne eine Green Card besorgt hätte, vor allem durch seine zahlreichen New-York- und Philadelphia-Aufenthalte mit Ehefrau Linda Sharrock letztlich beschloss, in Österreich zu bleiben.

Wie auch, dass er gerade in der Versöhnung von kosmopolitischer Offenheit, repräsentiert etwa durch Projekte mit den südkoreanischen Trommlern von SamulNori, und starkem regionalem Roots-Bezug zum hochrespektierten Modellfall eines europäischen Jazzmusikers avancierte: Reflektierte doch Puschnig immer bewusster seine Sozialisation in der Tradition des Kärntnerlieds und entwickelte sich so zu einem hinreißenden, am ersten Ton identifizierbaren "Sänger ohne Worte", der sein Altsaxofon wie kein anderer seufzen und jubilieren lassen kann.

Ein Sohn

Dass Puschnig heute, nach der privaten, nicht aber musikalischen Trennung von Linda Sharrock, nicht mit jenen spektakulären Projekten zugange ist wie in den 90er-Jahren, schreibt er selbst persönlichen Umständen, etwa der Geburt seines mittlerweile achtjährigen Sohnes, zu - und sieht es denkbar gelassen.

"Ich habe früher total Dampf gemacht, unglaublich viel gearbeitet. Da ist es schon gut, wenn man kurz einmal einen Gang zurückschaltet, sich anschaut, was alles schon war, und drüber reflektiert." Da passt es durchaus ins Bild, dass ein nicht geringer Anteil von Puschnigs - immer noch hohem - CD-Output retrospektiven Charakter trägt:

Neues Leben

Voran die Einspielungen mit den ehemaligen VAO-Kollegen Uli Scherer (Traces) und Harry Sokal (Voices of Time). Wobei manche der Projekte, die nun auch durch Wieder-und späte Erstveröffentlichungen in Erinnerung gerufen werden, auch zu neuem Leben erstehen.

Da wäre etwa Alpine Aspects: Das unterschätzte Meisterwerk (1991), in dem Puschnig die tiefschwarze Funkyness mit den Bläsersätzen der Amstettner Musikanten energiesprühend kurzschloss und das zwischen Ornette Coleman, Igor Strawinsky und österreichischer Volksmusik alles enthält, was ihn - und zeitgenössischen europäischen Jazz insgesamt - ausmacht, sieht sich in Originalbesetzung reaktiviert.

Ins Bild passt freilich in gewisser Weise auch Puschnigs aktuelle Arbeit, das gleich auf zwei CDs verbreitete Opus Late Night Show (Quinton), auf dem er und Linda Sharrock sich nur vordergründig in die aktuelle Pop-Cover-Welle einklinken und sogar Elvis Presleys Love Me Tender einer Neudeutung unterziehen. Das eigentliche Thema lautet: Entschleunigung. "Late Night Show ist eine Fortsetzung des Chants-Projekts von 2002", so Puschnig. "Es geht um langsame Grooves, ich wollte wissen, wie weit man reduzieren und doch die Spannung halten kann. Je langsamer, desto mehr geht es ans Eingemachte."

Dass für einen Mann, der sich über das Leben - und was so dazugehört - schon lange seine Gedanken macht, ein 50. Geburtstag keine besonderen Emotionen auslöst, ist irgendwie schlüssig. Wolfgang Puschnig behauptet das von sich - und er feiert im Mai dieses runde Anniversarium irdischer Existenz.

Wenn man dieses nun dennoch zum Anlass für ein persönliches Resümee nimmt? "Was mir gut gefällt, ist, mit einer gewissen Absichtslosigkeit zu spielen. Ich bin draufgekommen, dass sich die besten Moment für mich dann ergeben, wenn ich mir als Person nicht selbst im Weg stehe." (Andreas Felber/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. 3. 2006)