Microsoft hat die Einführung seines neuen Betriebssystems Windows Vista für den breiten Markt überraschend erneut verschoben. Die in erster Linie für Privatkunden vorgesehenen Vista-Versionen sollten nun erst im Januar 2007 und nicht wie bislang vorgesehen in der zweiten Hälfte dieses Jahres erscheinen, teilte der weltgrößte Softwarehersteller am Dienstagabend mit.

Kein Weihnachtsgeschäft

Der Vista-Start wird damit das für die gesamte PC-Branche wichtige Weihnachtsgeschäft verpassen. Vorbörslich gaben deshalb am Mittwoch nicht nur die Aktien von Microsoft selbst, sondern auch die großer Hardwareproduzenten wie Dell oder Hewlett-Packard deutlich nach. Experten gingen davon aus, dass viele Verbraucher die Anschaffung neuer Computer nun ins kommende Jahr verschieben könnten.

Alle Versionen betroffen

Das seit langem erwartete Windows Vista ist der Nachfolger des aktuellen Betriebssystems Windows XP, das Microsoft vor fast fünf Jahren auf den Markt gebracht hatte. Von der nun beschlossenen Terminverschiebung sind alle Versionen betroffen, die in der Regel über den Handel an Einzelanwender verkauft oder auf neuen PCs vorinstalliert werden. Auf Geschäftskunden zugeschnittene Versionen, die Großabnehmer mit Volumenlizenzen direkt von Microsoft-Servern herunterladen können, stünden dagegen wie geplant im November bereit, sagte ein Microsoft-Sprecher am Mittwoch.

Zeit

Ursprünglich war das Erscheinen der zunächst als Longhorn bekannt gewordenen Software bereits für 2005 geplant, dann aber auf 2006 verschoben worden. Microsoft brauche mehr Zeit, um Qualität und Sicherheit von Vista zu verbessern, begründete der Branchenführer die erneute Verzögerung. Auch würden PC-Hersteller es bevorzugen, wenn das neue System nicht mitten im Weihnachtsgeschäft herauskomme, da dies für Instabilität im Markt sorgen würde.

Eine Schockwelle geht durch die gesamte Technologiebranche

Die Verspätung, die nach Schätzungen der Forschungsgruppe Gartner acht bis zehn Wochen ausmacht, schickte ein Schockwelle durch die gesamte Technologiebranche. Sie traf von den PC-Herstellern die gesamte Zuliefererkette hinab bis zu den Chipproduzenten. Anleger fürchten, dass die verzögerte Einführung von Vista, mit dem weltweit 90 Prozent aller Personalcomputer laufen, zu Geschäftseinbußen der Hardware-Hersteller führen wird. So gaben die Titel von Dell und Hewlett-Packard nach Bekanntwerden der Nachricht zwei Prozent nach. Auch die Aktien des weltgrößten Chipherstellers Intel wurden nachbörslich ins Minus gedrückt. In Asien verloren die Titel des Branchenprimus bei Speicherchips, Samsung Electronics, um mehr als drei Prozent. Der deutsche Chiphersteller Infineon verlor an der Frankfurter Börse bis zum Mittag 0,6 Prozent. Dagegen konnte der US-Computerkonzern Apple, der mit einem eigenen Betriebssystem mit Microsoft konkurriert, ein Prozent zulegen.

"Händler und PC-Hardware-Hersteller arbeiten mit sehr dünnen Margen, die Auswirkungen könnten daher ernst sein"

Der Kurs der Microsoft-Aktie selbst brach um drei Prozent ein. "Händler und PC-Hardware-Hersteller arbeiten mit sehr dünnen Margen, die Auswirkungen könnten daher ernst sein", sagte David Smith von Gartner. Analyst Shaw Wu von American Technology Research in San Francisco äußerte sich ähnlich. "Die Verzögerung macht die zweite Jahreshälfte für PC-Hersteller schwieriger", sagte Wu. "Es gibt weniger Antrieb für den Umsatz."

Begrenzte Auswirkung

Andere Branchenexperten sahen durch den verspäteten Vista-Start allerdings nur begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse von Technologie-Firmen. Sie sprachen von einem psychologischen Effekt, der kurzfristig die Aktien belaste. Im Prinzip gelte Vista aber ohnehin erst für 2007 als Wachstumstreiber. Die Software soll in sechs Versionen zu haben sein, die sich je nach Funktionsumfang an unterschiedliche Kundenkreise unter Privat- und Profianwendern richten.

Die erfolgreiche Markteinführung neuer Produkte, darunter Vista, ist auch für Microsoft von entscheidender Bedeutung, um sich als Unternehmen mit einem robusten Wachstumspotenzial neu zu etablieren. (Reuters)